Anne Frank am Schreibtisch (Foto: WDR, WDR/picture alliance/United Archives/IFTN)

Zeitzeugen des Nationalsozialismus

Anne Frank | Unterricht

STAND

Das „Tagebuch der Anne Frank“ erscheint Schülerinnen und Schülern inzwischen vielfach als Text aus einer fernen, längst vergangenen Zeit. Dass Freundinnen und Weggefährtinnen von Anne Frank heute noch leben, ist den meisten nicht bewusst. Mit Hilfe der Augmented Reality App „WDR AR 1933-1945“ kann man die Erzählungen von zwei Freundinnen von Anne Frank in den eigenen Klassenraum holen.

Die Arbeit mit der App lässt sich an unterschiedlichen Stellen der Lektüre des Tagebuches in den Unterricht integrieren. Die Schülerinnen und Schüler sollten jedoch zumindest Teile des Tagebuches bereits gelesen haben, damit sie zwischen den Inhalten der Erzählungen und dem Text eine Verbindung herstellen können.

Erarbeitung 1: Anne Franks Leben

Besonders wenn das Tagebuch noch nicht komplett gelesen wurde, bietet es sich an, mit der Klasse zunächst mit dem Film „Anne Franks Leben“ zu arbeiten, der innerhalb der App abgerufen werden kann. Er zeichnet mit historischen Fotos und Filmaufnahmen Anne Franks Biografie nach. Im Gegensatz zu den beiden Erzählungen der Freundinnen nutzt er keine Augmented-Reality-Technik, sondern ist klassisch linear erzählt. Die Klasse erhält mit Hilfe des Films einen guten Überblick über Annes Biografie, auch über die Jahre hinaus, in denen sie Tagebuch schrieb.

Die Schülerinnen und Schüler schauen den Film in Einzelarbeit an. Sie notieren Anne Franks Erlebnisse stichpunktartig und ordnen sie den jeweiligen Wohnorten und Zeiträumen zu. Sobald sie mit der Bearbeitung fertig sind, finden sich die Schülerinnen und Schüler mit einem Arbeitspartner oder einer Arbeitspartnerin zusammen. Die Paare vergleichen ihre Ergebnisse und ergänzen Fehlendes. Abschließend können die Ergebnisse noch im Plenum besprochen oder von den Schülerinnen und Schülern selbstständig mit Hilfe des Kontrollblatts überprüft werden.

Sozialformen: Einzel- und Partnerarbeit

Tipps für den Gemeinsamen Unterricht (GU)/für die Differenzierung: Für schwächere Schülerinnen und Schüler gibt es ein Materialblatt mit fertigen Stichpunkten, die sie den einzelnen Phasen aus Anne Franks Leben auf Arbeitsblatt 1 zuordnen. Dort können sie die Stichpunkte entweder an die passende Stelle schreiben oder die Stichpunkte des Materialblatts ausschneiden, an die passende Stelle in der Tabelle legen und nach der Kontrolle dort einkleben.

Reflexion 1: Wirkung von Film und Text im Vergleich

Im Anschluss kann im Plenum die Wirkung des Films gemeinsam reflektiert werden. Mögliche Fragen: Wie unterscheidet sich die Darstellung im Film von den Fantasiebildern, die sich die Schülerinnen und Schüler beim Lesen des Buches gemacht haben? Welche Wirkung kommt durch die historischen Fotos im Film zustande? Verändert sich das Bild der Schülerinnen und Schüler von Anne Frank und ihrem Leben durch den Film?

Sozialform: Plenum

Erarbeitung 2: Zwei Freundinnen Anne Franks berichten

In den Augmented-Reality(AR)-Videos „Die Freundschaft“ und „Der Abschied“ werden die Erzählungen zweier Freundinnen Anne Franks mit Ausschnitten aus ihrem Tagebuch kombiniert. Zur Einführung sammelt die Lehrkraft mit der Klasse im Plenum in einer Mindmap, was die Schülerinnen und Schüler unter Freundschaft verstehen.

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich in der anschließenden Phase die Berichte der beiden Zeitzeuginnen und ihre Biografien in Einzelarbeit. Sie können wählen, mit welcher Zeitzeugin sie beginnen möchten, und schauen sich das entsprechende AR-Video in der App an: Im Kapitel „Die Freundschaft“ kommt Jacqueline van Maarsen zu Wort, im Kapitel „Der Abschied“ Hannah Elisabeth Goslar.

Anschließend lesen die Schülerinnen und Schüler die entsprechende Kurz-Biografie innerhalb der App und beantworten die Fragen auf Arbeitsblatt 2 beziehungsweise 3. Mit den Fragen wird das Verständnis der Inhalte gesichert. Wenn sie mit dem einen Arbeitsblatt fertig sind, kontrollieren sie ihre Ergebnisse anhand des Kontrollblatts, korrigieren und ergänzen Fehlendes.

Dann schauen sie sich das AR-Video und die Biografie der anderen Zeitzeugin an und bearbeiten das entsprechende Arbeitsblatt. Auch hier kontrollieren sie ihre Ergebnisse mit Hilfe des Kontrollblatts, korrigieren und ergänzen Fehlendes.

Sozialform: Einzelarbeit, Plenum

Tipps für den GU/für die Differenzierung: Für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler gibt es zu jeder Protagonistin ein vereinfachtes Arbeitsblatt (2BC bzw. 3BC), das sich allein mit den Erzählungen lösen lässt. Die Inhalte, die die anderen Schülerinnen und Schüler aus den Kurzbiografien entnehmen sollen, sind hier bereits abgedruckt. Um die Fragen leichter beantworten zu können, erhalten diese Schülerinnen und Schüler unterstützend Materialblätter, auf denen die Zitate der Zeitzeuginnen und von Anne Frank aus den beiden Kapiteln abgedruckt sind.

Die Materialblätter liegen in zwei Varianten vor. In der B-Variante sind die Zitate von Anne Frank und von der jeweiligen Protagonistin gemischt und müssen zunächst verstanden und der passenden Person inhaltlich zugeordnet werden, bevor die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Hilfe die Fragen beantworten. In der C-Variante sind die Zitate Anne Frank und der jeweiligen Freundin bereits zugeordnet.

Transfer 1: Bedeutung von Freundschaft

Im Plenum wird abschließend über das Verhalten der beiden Freundinnen Anne Franks unter den Schlagwörtern „Freundschaft“ und „Abschied“ vor dem historischen Hintergrund diskutiert. Wie ordnen die Schülerinnen und Schüler die beiden Freundschaften Anne Franks ein? Welche Bedeutung hatten die Freundschaften für Anne Frank? Wie beurteilen sie das Verhalten der beiden Freundinnen Anne Frank gegenüber? Mit Blick auf die Mindmap vom Anfang der Unterrichtseinheit: Unterscheidet sich das Freundschaftsverständnis der Schülerinnen und Schüler von dem Anne Franks?

Sozialform: Plenum

Vertiefung 1: Die Perspektive von Jacque nachvollziehen

In dieser Unterrichtseinheit werden zwei prägende Szenen aus den Kapiteln „Freundschaft“ und „Abschied“ zum Anlass genommen, dass sich die Schülerinnen und Schüler vertiefend mit der Perspektive der beiden Freundinnen Anne Franks auseinandersetzen.

Zunächst geht es dabei um die Sicht von Jacque. Die Schülerinnen und Schüler schauen sich das AR-Video „Die Freundschaft“ an und achten dabei besonders auf die Szene, als Jacque durch das verlassene Haus der Familie Frank geht. Diese Szene wird zum Anlass genommen, um einen Tagebucheintrag aus der Sicht von Jacque zu schreiben.

Als Hilfe machen sich die Schülerinnen und Schüler zunächst Notizen dazu, wie es in dem Haus aussieht, wie Jacque das plötzliche Verschwinden Annes empfindet und welche Gedanken sie sich macht. Einige fertige Tagebucheinträge werden vorgestellt und im Plenum besprochen.

Sozialform: Plenum, Einzelarbeit

Vertiefung 2: Die Perspektive von Hannah nachvollziehen

Um die Geschichte und die Sichtweise von Hannah nachzuvollziehen, erarbeiten die Schülerinnen und Schüler verschiedene Standbilder in Gruppen. Grundlage ist Hannahs Bericht im AR-Video „Der Abschied“ über die Situation, als sie Anne Frank im Konzentrationslager wiedertrifft. Die beiden Freundinnen begegnen sich mehrere Male auf zwei Seiten eines Zauns. Doch dann kommt Anne nicht wieder zum Treffpunkt. Hannah muss annehmen, dass Anne gestorben ist.

Über die Standbilder als Ausdrucksform können die Schülerinnen und Schüler diese emotional berührende Situation aufgreifen und verarbeiten. Dabei setzen sie Elemente der Erzählung szenisch um, allerdings ohne Bewegung, sondern mit Mimik und Gesten, die gewissermaßen „eingefroren“ sind, wie bei einem Foto.

Die szenische Umsetzung sollte freiwillig erfolgen: Wer es als zu belastend empfindet, selbst in die Rolle einer Gefangenen zu schlüpfen, sollte die Möglichkeit erhalten, nur bei Vorbereitung und Feedback mitzuwirken.

Zunächst machen sich die Schülerinnen und Schüler Notizen zu den Umständen der Begegnungen. Auf dieser Basis entscheiden sie im Plenum, in wie viele Standbilder sie die Handlung aufteilen und welcher Teil der Handlung in welchem Bild aufgegriffen wird. Anschließend arbeiten die Schülerinnen und Schüler in Gruppen an jeweils einem der Standbilder weiter. Gegebenenfalls müssen die Gruppen unterschiedlich groß sein, falls im einen Bild mehr, im anderen weniger Personen vorkommen.

Möglich wäre dabei auch, das „Bühnenbild“ (Mauer, Wachturm etc.) ebenfalls von Schülerinnen und Schülern darstellen zu lassen. Die Lehrkraft sollte je nach Klassensituation abwägen, ob sie diese Anregung an die Jugendlichen weitergibt oder ob dies eher zu Unruhe in den Arbeitsgruppen führen würde.

Die Gruppen überlegen, welche Gefühle in ihrem Standbild eine Rolle spielen und wie diese in Mimik und Gestik am besten zum Ausdruck gebracht werden können. Anschließend proben die Gruppen ihre Standbilder. Dabei verhalten sich die Darstellenden eher passiv, wie lebende Puppen. Jede Gruppe bestimmt eine Regisseurin oder einen Regisseur, der oder die die Darstellenden anleitet. Die übrigen Gruppenmitglieder beraten und korrigieren. Eine genaue Beschreibung der Aufgabe finden die Schülerinnen und Schüler auf Arbeitsblatt 5.

Danach stellen die Gruppen ihre Standbilder vor. Die anderen Schülerinnen und Schüler geben ihnen Feedback. Hilfestellung für das Feedback bieten den Schülerinnen und Schülern Leitfragen auf Arbeitsblatt 6. Anschließend wird auf der Basis der Rollenbegründungen über die Standbilder diskutiert. Schwerpunkt: Konnten die Bilder die geplante Wirkung bei den Zuschauern erzeugen? Was hätten andere Schülerinnen und Schüler anders gemacht und warum?

Auf Basis dessen verfassen die Schülerinnen und Schüler danach schriftliche Regieanweisungen für eine pantomimische Umsetzung der Erzählung im Rahmen eines fiktiven Theaterstücks. Diese Aufgabe kann auch als Hausaufgabe gegeben werden.

Sozialform: Gruppen- und Einzelarbeit, Plenum

Transfer 2: Rückbezug zum Text

Abschließend findet eine Reflexion statt: Hat sich die Sicht der Schülerinnen und Schüler auf die beiden Freundinnen Anne Franks durch die Schreibaufgaben und die Standbilder verändert? Wenn ja, wie? Danach wendet sich das Gespräch zur Lektüre: Hat sich die Sicht der Schülerinnen und Schüler durch die Auseinandersetzung mit der App gewandelt? Tragen die Erzählungen dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler nun auch den Text besser verstehen, und wenn ja, inwiefern?

Sozialform: Plenum

Vertiefung 3: Medienreflexion

Abschließend reflektieren die Schülerinnen und Schüler die Arbeit mit der App. Sie haben innerhalb der Unterrichtseinheit sowohl einen „klassischen“ linear erzählten Film genutzt als auch zwei Erzählungen, bei denen Augmented-Reality-Technik genutzt wurde. Vor diesem Hintergrund erarbeiten sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wirkung und schärfen so ihr Medienverständnis. In diesem Zusammenhang setzen sie sich auch mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als Quelle für historisches Wissen auseinander und reflektieren kritisch, wie deren Aussagen zu bewerten und einzuordnen sind.

Sozialform: Gruppenarbeit

Alle Unterrichtsvorschläge auf einen Blick
PhaseInhaltSozialformMaterial
Erarbeitung 1Anne Franks LebenEinzel-/ PartnerarbeitSmartphones/Tablets mit Kopfhörern

Arbeitsblatt 1, Materialblatt 1, Kontrollblatt 1
Reflexion 1Wirkung von Film und Text im VergleichPlenum
Erarbeitung 2Zwei Freundinnen berichtenPlenum, EinzelarbeitTafel
Smartphones/Tablets mit Kopfhörern
Arbeitsblätter 2A, 2BC, 3A, 3BC Materialblätter 2B, 2C, 3B, 3C, Kontrollblätter 2A, 2BC, 3A, 3BC
Transfer 1Bedeutung von FreundschaftPlenum
Vertiefung 1Perspektive von JacquePlenum, EinzelarbeitSmartphones/Tablets mit Kopfhörern

Arbeitsblatt 4
Vertiefung 2Perspektive von HannahGruppen- und Einzelarbeit, PlenumSmartphones/Tablets mit Kopfhörern
Arbeitsblätter 5, 6
Transfer 2Rückbezug zum TextPlenum
Vertiefung 3MedienreflexionGruppenarbeitArbeitsblatt 7

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Planet Schule