Kämpfer der Terrororganisation Hamas kontrollieren den Gazastreifen. Nahostkonflikt: Die Macht der Hamas und ihre Ziele  (Foto: IMAGO / NurPhoto)

Internationale Krisen

Nahostkonflikt: Die Macht der Hamas und ihre Ziele

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Autor/in
Guido Steinberg

Im Jahr 2005 hat Israel den Gazastreifen verlassen. Zwei Jahre später kommt die radikal-islamische Hamas an die Macht. Ihr Ziel ist die Zerstörung Israels. Ein Text des Islamwissenschaftlers und Experten für Islamismus und islamistischen Terrorismus Guido Steinberg:

Wie kam die Hamas an die Macht?

Im August und September 2005 räumte die israelische Armee den Gazastreifen, den sie seit dem Sechstagekrieg 1967 besetzt gehalten hat. Mit ihr gingen auch rund 9.000 Siedler, die bis dahin in 21 Siedlungen in dem Gebiet gelebt hatten. Die Macht ging an die Palästinensische Autonomiebehörde über, die von der Fatah und ihrem Vorsitzenden Mahmoud Abbas angeführt wurde.

Doch die Herrschaft der Fatah über den Gazastreifen währte nur kurz, denn bei den palästinensischen Parlamentswahlen vom Januar 2006 gewann die islamistische Hamas. In der Folge traten Konflikte zwischen Fatah und Hamas auf, die im Juni 2007 in einen kurzen Bürgerkrieg mündeten, in dessen Verlauf die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm.

Wer ist die Hamas?

Hamas ist die arabische Abkürzung für "Bewegung des Islamischen Widerstands" (Harakat al-Muqawama al-Islamiya) und bedeutet so viel wie "Eifer". Die Organisation entstand, nachdem in den besetzten Gebieten im Dezember 1987 ein palästinensischer Volksaufstand gegen Israel (die erste Intifada) ausbrach.

Ziel der Hamas war dabei die "Befreiung" des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina "vom Fluss (dem Jordan) bis ans Meer (dem Mittelmeer)" und die Zerstörung Israels. Ihr Mittel der Wahl war der bewaffnete Kampf, den sie "Jihad" (Heiliger Krieg) nennt. Seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre beging die Hamas vor allem Selbstmordattentate, die hauptsächlich während der zweiten Intifada (2000 bis 2005) hunderte Opfer forderten.

Karte von Jerusalem und den umliegenden Ländern (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

Das Leben in Gaza unter der Hamas

Die Hamas hatte ihre Hochburgen seit jeher im Gazastreifen, wo sie ihre Macht nach Juni 2007 zielgerichtet ausbaute. Sie ließ seitdem keine erneuten Wahlen mehr zu und herrschte autoritär: Oppositionelle werden verfolgt, willkürlich inhaftiert und häufig misshandelt und gefoltert.

Außerdem setzte die Hamas auf eine weitgehende Islamisierung des öffentlichen Lebens. Hierzu gehören eine strikte Geschlechtertrennung und die Einschränkung von Frauenrechten. Frauen müssen in öffentlichen Stellen, Gerichten, Schulen und teils auch im Freien Kopftuch tragen. Es gibt im Gazastreifen auch eine Religionspolizei, die die Einhaltung dieser und anderer Regeln überwacht.

Die Hamas im Konflikt mit Israel

Die israelische Regierung reagierte auf die Machtübernahme der Hamas, indem sie den Gazastreifen weitgehend abriegelte, um so zu verhindern, dass palästinensische Terroristen nach Israel gelangten und Waffen in den Gazastreifen geschmuggelt wurden. Diese Strategie war nur teilweise erfolgreich. Zwar blieben größere Anschläge in Israel nach 2005 aus, doch beschoss die Hamas Israel wiederholt mit selbstgebauten Raketen und baute Tunnel, um auf israelisches Territorium vordringen zu können.

In den Jahren 2008/2009, 2012, 2014, 2021 und 2022 kam es zu Kämpfen, bei denen die israelische Armee Hamas-Ziele im Gazastreifen beschoss. 2014 startete Israel auch eine räumlich und zeitlich begrenzte Bodenoffensive. Wiederholt fielen Zivilisten den Gefechten zum Opfer.

Der Iran und die Allianz zur Zerstörung Israels

Die Hamas erhielt nach 2005 Unterstützung aus Iran. Die Islamische Republik will Israel zerstören und hat zu diesem Zweck ein Bündnis der Feinde des jüdischen Staats geschaffen, das sie "Achse des Widerstands" nennt. Zu ihm gehören neben dem Assad-Regime in Syrien die libanesische Hisbollah, schiitische Milizen im Irak, die jemenitischen Huthi-Rebellen und zahlreiche kleinere Organisation.

Seit 2015 ist diese Allianz erstarkt und hat ihre Beziehungen zu palästinensischen Gruppierungen ausgebaut. Die Hamas erhält von Iran und seinen Verbündeten Geld, Waffen und Ausrüstung, und ihre Kämpfer werden von der Hisbollah ausgebildet. Dies hat dazu geführt, dass die Hamas militärisch schlagkräftiger geworden ist.

Der Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023

Am 7. Oktober 2023 gelang es Einheiten der Hamas und der mit ihr verbündeten Organisation "Islamischer Jihad", die Grenzanlagen um den Gazastreifen zu durchbrechen und auf israelisches Territorium vorzudringen. Dort töteten sie über 1.400 Israelis und nahmen mehr als 200 Geiseln, die sie in den Gazastreifen verschleppten. Die Mehrheit der Opfer waren Zivilisten, darunter zahlreiche Kinder, Frauen und Ältere.

Israel reagierte zunächst mit intensiven Luftschlägen gegen Hamas-Ziele im Gazastreifen, bei denen eine unbekannte Zahl von Zivilisten getötet wurde. Ziel der israelischen Regierung ist es, die Hamas zu zerschlagen.

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