Der Handschlag zwischen Barack Obama und Raúl Castro ist Symbol für den Beginn einer neuen politischen Ära
SWR - Screenshot aus der Sendung
Im April 2015 treffen sich der US-Präsident Barack Obama und der kubanische Regierungschef Raúl Castro beim Amerika-Gipfel in Panama. Ihr Handschlag wird als Ereignis von historischer Bedeutung gewertet. Kuba nimmt zum ersten Mal an dem Zusammentreffen der karibischen, nord-, mittel- und südamerikanischen Staaten teil. Die auch als „Gipfel der Amerikas“ bezeichnete Organisation ist unter anderem eine Freihandelszone. Es werden nur Staaten mit einer parlamentarischen Demokratie und einer kapitalistischen Marktwirtschaftsordnung aufgenommen. Das sozialistisch regierte Kuba durfte bei dem Treffen im April als Beobachter teilnehmen. Bereits im Dezember 2014 hatte der Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kuba angekündigt.
Kuba liegt nur 150 Kilometer vom amerikanischen Festland entfernt
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Die fünf Jahrzehnte lang andauernde politische Eiszeit zwischen den USA und Kuba ist angesichts der internationalen Veränderungen längst obsolet geworden. Organisationen wie die UNO kritisieren seit längerem das Wirtschaftsembargo der USA gegen den Inselstaat. Spätestens nach dem Zerfall des unter der Führung der Sowjetunion stehenden, sozialistischen Machtblocks, war Kuba isoliert. Obwohl von der Karibikinsel nach dem Ende des Kalten Krieges keine militärische Gefahr mehr ausging, verschärften die USA das Wirtschaftsembargo. Wirtschaftsexperten machen das Embargo in Verbindung mit den strukturellen Problemen der staatlichen Planwirtschaft Kubas für die schlechten Lebensbedingungen auf der Insel verantwortlich gemacht.
Die Annäherung zwischen den beiden Ländern scheiterte lange am Widerstand der Exilkubaner und der Republikaner in den Vereinigten Staaten. In den ersten Monaten der Präsidentschaft Barack Obamas kam es zu politischen Gesprächen zwischen Vertretern Kubas und der USA. Das seit 1962 bestehende Kuba-Embargo wurde gelockert. Dessen vollständige Aufhebung scheitert bisher am Widerstand der Republikaner im US-amerikanischen Kongress.
Junge Kubaner nutzen das Internet an einem öffentlichen WLAN-Hotspot
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2015 ist ein Schicksalsjahr für die Karibikinsel. Seit Juli können Kubaner an öffentlichen Hotspots gegen Entgelt im World Wide Web surfen. Das sind erste Zugeständnisse in Richtung Informationsfreiheit, die die kubanische Regierung ihren Bürgen gegenüber macht. Bisher war die Nutzung des Internets einer kleinen Elite vorbehalten.
Die sozialistische Regierung unter ihrem Präsidenten Raúl Castro nimmt mit dem bisherigen Erzfeind USA unter dem Präsidenten Barack Obama nach 54 Jahren die diplomatischen Beziehungen wieder auf. Am 14. August 2015 wird die Botschaft der Vereinigten Staaten in Havanna offiziell wieder eröffnet, der kubanische Botschafter amtiert seit dem 17. September 2015 in Washington.
Die USA streichen Kuba von der Liste Terrorismus unterstützender Staaten. Das macht den Weg frei für weitere Lockerungen des Wirtschaftsembargos gegen Kuba.
In Havanna werden Wohnungen und Restaurants privatisiert
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Seit die USA die Wirtschaftssanktionen gegen Kuba teilweise zurück genommen haben, boomt der Tourismus auf der Karibikinsel. Immer mehr ausländische Investoren drängen in den Tourismussektor und in das Immobiliengeschäft. In Wirtschaftsbranchen, die bisher noch strikt in staatlichem Besitz waren, werden schrittweise private Investitionen erlaubt. Bisher müssen ausländische Investoren mit staatseigenen kubanischen Unternehmen Joint Ventures bilden. Das heißt, der Investor darf auf Kuba nur aktiv werden, wenn der kubanische Staat mit dem Unternehmen kooperiert.
Der Kauf von Immobilien ist bisher nur kubanischen Staatsbürgern vorbehalten, doch hat es hat sich bereits ein Schwarzmarkt gebildet. Kubanische Strohmänner setzen gegen eine finanzielle Entschädigung ihre Unterschrift auf fingierte Kaufverträge und erwerben Immobilien für ausländische Käufer. Selbst Scheinehen werden zu diesem Zweck in Havanna durch US-amerikanische Staatsbürger geschlossen. Die Privatisierung der Immobilien setzt zwar überfällige Renovierungsarbeiten im Altbaubestand in Gang, es werden aber auch stark ansteigende Mietpreise für die Stadtwohnungen erwartet. Für Kubaner mit niedrigen Einkommen werden die Wohnungen im Stadtzentrum dann kaum mehr erschwinglich sein. Ausländische Firmen beteiligen sich bereits am Tourismus auf Kuba. Über Airbnb können Kubaner Wohnungen an Gäste aus aller Welt vermieten. Die spanische Hotelkette Meliá besitzt im Jahr 2015 die Hälfte der Hotelbetten auf Kuba.
In Havanna gibt es immer mehr privat betriebene Restaurants
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Kleine Restaurants und Gaststätten, sogenannte Paladares, dürfen schon seit mehr als 10 Jahren auf Kuba privat betrieben werden. Doch bisher wurden die Geschäfte in den Restaurants von der Regierung stark reglementiert. Die Restaurants wurden regelmäßig kontrolliert, weil sie eine bestimmte Zahl an Tischen und Gästen nicht überschreiten durften. Seitdem immer mehr Touristen, auch aus den USA, auf die Karibikinsel reisen, wächst der Bedarf an Dienstleistungen in der Branche drastisch. Inzwischen wurden die Beschränkungen für die privaten Restaurantbesitzer aufgehoben.
Auf Kuba werden inzwischen auch privat geführte kleingewerbliche Firmen toleriert: Das sind häufig Schuster, Uhrmacher, Friseure oder Geschäfte, in denen elektronische Geräte repariert werden. Neuerdings bieten Kubaner auch Yoga, Salsa oder Rumba-Tanzkurse an. Dieses Angebot richtet sich an die internationalen Touristen. Seitdem sich Kuba dem Ausland öffnet, steigt auch die Zahl der Sextouristen aus den USA und Europa. Eines der Ziele der kubanischen Revolutionäre vor über 50 Jahren war, die Prostitution auf Kuba zu bekämpfen. Wegen der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage gibt es heute nur wenige Verdienstmöglichkeiten. Mit dem Anwachsen des Massentourismus verdienen immer mehr Frauen und auch Männer auf der Karibikinsel ihr Auskommen mit Sex.
Für viele Bewohner Kubas ist es auf der Insel schwierig geworden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele ergreifen die Flucht in der Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA. Doch die Kubaner fürchten, dass es mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba in Zukunft schwieriger sein wird, eine Aufenthaltsgenehmigung für die USA zu bekommen. Derzeit werden Kubaner in den USA als politische Flüchtlinge anerkannt, da bis vor kurzem Kuba in den Vereinigten Staaten als Staat eingestuft wurde, von dem terroristische Gefahr ausgeht. Da Kuba im Mai 2015 von der Terrorliste der USA gestrichen wurde, könnte sich das aber in naher Zukunft ändern. Die meisten Flüchtlinge wollen über Mittelamerika und Mexiko in die USA einreisen. Doch einige Länder, wie Nicaragua, hindern sie an der Weiterreise. Im Dezember 2015 saßen 8000 Flüchtlinge in Costa Rica fest. Teilweise wurden die Flüchtlinge wieder nach Kuba zurück gebracht.
Die Öffnung Kubas zum Westen und die politische Annäherung zum bisherigen Erzfeind USA verändern den Alltag. Die meisten Kubaner sehnen sich nach Veränderungen, denn die Lebenssituation vieler Menschen ist katastrophal. Auch die Gesundheitsversorgung, die eine große Errungenschaft der Revolution auf Kuba war, ist angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage kritisch.
Die kubanische Regierung hat weitreichende Wirtschaftsreformen eingeleitet. Die Duldung von privatwirtschaftlichen Kleinunternehmen und die Lockerung der sozialistischen Planwirtschaft bringen erste wirtschaftliche Impulse. Es gibt aber auch kritische Stimmen auf Kuba. Sie befürchten einen „Ausverkauf“ der Insel an ausländische Investoren und erinnern daran, dass die Revolution von 1959 auch deshalb durchgeführt wurde, weil sich die Karibikinsel zu einer korrupten Kolonie in wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten entwickelt hatte.
Bisher kontrolliert die kubanische Regierung die ausländischen Investitionen, auch um negative Auswüchse einer freien kapitalistischen Marktwirtschaft auf der Karibikinsel zu verhindern.