Am 1. Mai 2003 erklärt George Bush vor einigen tausend US-Soldaten den Krieg für beendet. Doch während Washington den Krieg in allen Einzelheiten vorausgeplant hat, liegen keine Pläne für die Nachkriegszeit vor und der Irak ist von Gewaltlosigkeit und Befreidung weit entfernt. Der rasche militärische Erfolg der US-geführten Truppen steht von Anfang an in Kontrast zu dem Misserfolg auf dem Gebiet der Zivilverwaltung. Die Soldaten der irakischen Armee ergeben sich nicht, sondern gehen samt ihrer Waffen nach Hause. Auch die meisten Polizisten erscheinen nicht mehr zur Arbeit. Die Infrastruktur im Land bricht zusammen, Strom- und Wasserversorgung funktionieren nicht mehr und Plünderungen beginnen. Die stationierten US-Truppen sind Kampfeinheiten, dünn gesät und auf Aufgaben der Friedenssicherung weder vorbereitet noch ausgebildet.
Die Besatzungspolitik macht es der Mehrheit der irakischen Bevölkerung zunehmend schwer, den Krieg als eine "Befreiung" von Saddam Husseins Regime zu sehen. Strategische und wirtschaftliche Interessen der USA, Bilder von Folter und Demütigung und die desolate wirtschaftliche Situation rufen Widerstand und terroristische Attentäter auf den Plan, die das Land und die gesamte Region destabilisieren.
Ohne die seit der Saddam-Diktatur vertrauten „Anweisungen“ aus dem Fernseher, fühlen sich viele Iraker allein gelassen. Auf der Suche nach mehr Sicherheit wenden sich viele verstärkt den traditionellen Anhängern, den Stammesführern und Religionsgelehrten zu. Viele Korangelehrte lenken die Proteste in religiöse Bahnen, rufen die Menschen zum Boykott gegen die Besatzungspolitik auf und versprechen den Anhängern einen Platz im Paradies, falls sie im Kampf gegen die Besatzer den Märtyrertod sterben. Selbstmordattentate nehmen ihren Anfang. Zudem eröffnen überall im Irak unterschiedliche politische Gruppierungen ihre Büros. Die meisten orientieren sich entweder an der religiösen oder der ethnischen Zugehörigkeit ihrer Zielgruppen – ein Flickenteppich aus Religions- und Volksgruppen.
Im April 2003 hatte die US-Armee in der Sunnitenhochburg Falludscha Saddam-freundliche Demonstranten erschossen. Entschädigungszahlungen hierfür verweigerte die USA. Seitdem rufen die Stammesführer der Getöteten zu Rache und Vergeltung auf. Zu denjenigen, die dem Aufruf folgen, stoßen über die unbewachten Grenzen des Irak ausländische Kämpfer hinzu: aus Syrien, Saudi Arabien und Jordanien. Doch ihnen geht es nicht um die Stämme in Falludscha: Für sie ist die Situation im Irak ein geeignetes Schlachtfeld, um die USA und ihre Verbündeten insgesamt zu bekämpfen. Auch die internationale Terrororganisation Al-Qaida beginnt jetzt, im Irak zu operieren. Die neue Macht des Terrors zeigt sich zum ersten Mal im Sommer 2003, als der für seine Neutralität bekannte UN-Sondergesandte Sergio de Mello mit vielen Mitarbeitern in seinem Hauptquartier in Bagdad ermordet wird. Am Jahresende 2003 gibt es immer mehr Selbstmordanschläge in Bagdad, unter anderem auf "Ausländerhotels" und das Hauptquartier des Roten Kreuzes. Der Widerstand weist Anzeichen von Planung und Koordination auf. Dass ein halbes Jahr nach dem offiziellen Kriegsende die Infrastruktur noch immer nicht funktioniert, dass es keine Sicherheit und kaum Arbeitsplätze gibt, steigert die allgemeine Frustration – besonders unter den Ex-Soldaten und Ex-Beamten, die durch Paul Bremers Entbaathifizierung arbeitslos geworden sind. Extremisten versuchen, die allgemeine Unzufriedenheit zu nutzen.
Trotz intensiver Suche werden nach dem Sturz Saddam Husseins keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden. Es bleibt ungeklärt, ob die Geheimdienste schlecht gearbeitet haben oder gezielt Fehlinformationen verbreitet wurden. Auch die Verbindung der irakischen Regierung mit der Terrororganisation Al-Qaida und die Mitschuld am Terroranschlag in den USA können nicht nachgewiesen werden.
Die USA wollen den Irak von Grund auf demokratisieren. Der US-Zivilverwalter des Irak, Paul Bremer, erklärt im Juni 2003 "Wir werden den Irakern helfen, eine demokratische Regierung aufzubauen. Dann werden wir der neuen irakischen Regierung alle Amtsgeschäfte übergeben und nach Hause gehen." Nach dem Vorbild der "Entnazifizierung" in Deutschland soll die Verwaltung "entbaathifiziert" werden. Wer im Staatsdienst bleiben will, muss auf einem Fragebogen Auskunft über seine Rolle unter dem Baath-Regime geben. Viele Offiziere, Beamte und andere wichtige Stützen des alten Regimes verlieren dadurch nicht nur ihre Anstellung, sondern auch den Anspruch auf eine Rente. Die Baath-Partei wird verboten, die millionenstarke irakische Armee aufgelöst und die Polizei neu rekrutiert. Irakische Intellektuelle warnen Bremer davor, die Erfahrungen mit Nazideutschland auf den Irak zu übertragen. "In Deutschland hatten die Alliierten es mit einer Ideologie zu tun, die von weiten Kreisen der Bevölkerung begeistert unterstützt wurde", kommentiert der 81-jährige Adnan Pachachi, der vor dem Saddam-Regime irakischer Außenminister war. "Aber der Baathismus war unter Saddam nur auf dem Papier noch eine Ideologie." In Wirklichkeit habe es sich um eine versteckte Stammesherrschaft gehandelt. Wer in die Baath-Partei eintrat, sei in der Regel nicht aus Überzeugung Mitglied geworden, sondern aus Furcht. Mit diesem Schritt bestrafe man die Falschen und schaffe neues Unrecht. Viele Iraker sehen das ebenso und fühlen sich durch die neuen Herren ungerecht behandelt und das schürt den Hass gegen die Besatzungsmacht.
Es gelingt scheinbar, den Irakern wieder Perspektiven zu geben: Der Einberufung eines irakischen Regierungsrats folgt am 28. Juni 2004 die Übergabe der Amtsgeschäfte an Übergangspremier Iyad Allawi. Der Irak ist jetzt, dem Völkerrecht nach, wieder souverän. Die Sicherheitslage im Irak bessert sich jedoch nicht: Immer mehr Iraker, die für die neue Regierung arbeiten, und immer mehr ausländische Aufbauhelfer werden getötet oder entführt.
Am 30. Januar 2005 wählen die Iraker ein erstes Übergangsparlament. Der massive Wahlsieg der "Schiitenliste" UIA und der Vereinigten Kurdenliste ändert die jahrhundertealten Machtverhältnisse. Erstmals verfügen Schiiten und Kurden über eine ihrem Bevölkerungsanteil angemessene politische Mitsprache. Die Sunniten sind im neuen Übergangsparlament jedoch kaum vertreten: Aus Protest gegen das US-amerikanische Vorgehen in Falludscha haben die meisten sunnitischen Parteien und Politiker zu einem Wahlboykott aufgerufen.
Ein wichtiger Schritt zu Demokratie und Eigenständigkeit ist die Verfassung: Ein Komitee aus Religionsvertretern und Repräsentanten politischer Parteien beginnt Anfang 2005, einen Entwurf auszuarbeiten, der am 15. Oktober 2005 per Volksabstimmung angenommen wird. Der Verfassungsprozess birgt jedoch große Probleme: Während Schiiten und Kurden eine weitgehende Autonomie des kurdischen Nordens und schiitischen Südens befürworten, pochen die Repräsentanten der sunnitischen Minderheit auf einen Zentralstaat. Sie fürchten, in einem föderalen Staat politischen Einfluss zu verlieren und von den Öleinnahmen des Landes ausgeschlossen zu werden. Die Sunniten treten schließlich zu den Wahlen des ersten regulären Parlaments am 15. Dezember 2005 an. Die Wahlbeteiligung liegt bei rund 70 Prozent. Allein die Teilnahme aller größeren Bevölkerungsgruppen des Irak gilt damals als positives Zeichen für eine Demokratisierung. Gleichwohl kommt es nicht zu einem Rückgang der fast täglich verübten Anschläge und Terroraktionen im Irak.
Auch die Wahlen und die neue Verfassung bringen dem Irak nicht die erhoffte Wende. Vielmehr werden die Gegensätze zwischen den Volksgruppen seit spätestens 2005 immer größer. Die Gewalt eskaliert zum Bürgerkrieg, ein Kampf um die Macht im Land, den sich vor allem Sunniten und Schiiten liefern, und auch ein Kampf der Kurden für ihre Unabhängigkeit.
Allein im Jahr 2006 sterben 34.000 Zivilisten bei Kämpfen und Terroranschlägen. Darin verstrickt sind auch die US-Soldaten: 2006 sind immer noch 138.00 von ihnen im Land und einige weitere tausend Soldaten der Kriegskoalition des Jahres 2003. Zusammen mit der irakischen Armee gelingt es ihnen zwar, die Gewalt einzudämmen, so dass der Bürgerkrieg 2007 zunächst abflaut. Aber das Sterben endet nicht.
Die USA ziehen im Dezember 2011 ihre letzten Soldaten ab. 4.500 US-Soldaten waren während der Besatzungszeit seit Anfang 2003 getötet und 32.000 verwundet worden. Nach Schätzungen starben in diesen Jahren mehr als 160.000 Irakerinnen und Iraker durch Kampfhandlungen und Bombenattentate. Nach dem Abzug der Truppen eskaliert die Gewalt. Allein im Juli 2013 fallen mehr als 1000 Menschen Anschlägen in verschiedenen Städten zum Opfer.
Im April 2014 findet eine Parlamentswahl im Irak statt. Die Sicherheitslage ist aber so angespannt, dass nur in einigen Landesteilen gewählt werden kann. Die Schiiten erringen die Mehrheit vor den Sunniten und den Kurden – entsprechend der Verteilung in der Bevölkerung. Es gelingt erst nach Monaten, eine gemeinsame Regierung zu bilden, der alle drei Gruppen nach ihrem Stimmanteil angehören. Aber zugleich droht das Land zu zerfallen, politisch, religiös und territorial. Die schiitisch dominierte Regierung sitzt in Bagdad, sie kontrolliert jedoch nur noch Teile der Landesmitte und des Südens. Im Nordosten haben die Kurden mittlerweile eine weitgehende Autonomie aufgebaut, einen Staat im Staat, mit einer eigenen Armee, den Peschmerga. Den Nordwesten beherrscht seit 2013 der IS, der sogenannte „Islamische Staat“.
Der IS ist eine sunnitische Terrororganisation, die bereits unter dem Namen Al-Qaida im Bürgerkrieg ab 2005 aktiv war. In den folgenden Jahren kann sie mehr und mehr Anhänger und Unterstützer gewinnen, insbesondere unter der von der Lage im Land frustrierten sunnitischen Bevölkerung. Im Juni 2014 gelingt es dem IS, die zweitgrößte irakische Stadt Mossul mit knapp 3 Millionen Einwohnern zu erobern. Das löst eine große Fluchtwelle aus. Auch Teile Syriens hält der IS besetzt und treibt Hunderttausende in die Flucht. Er ist damit eine der Ursachen für die große Flüchtlingskrise, die Europa 2015 erreicht hat. Mittlerweile wird er von einer internationalen Militärallianz bekämpft, der so genannten „Anti-IS-Koalition“, zu der u.a. die USA, Frankreich, die Türkei und auch Deutschland gehören.
Die Terrororganisation hat nach Schätzungen zwischen 10.000 und 30.000 Kämpfern, viele von ihnen stammen aus der irakischen Armee des 2003 gestürzten und 2006 hingerichteten Diktators Saddam Husseins. Aber auch aus dem Ausland kommen hunderte fanatisierte und meist junge Männer. Die IS-Terroristen haben bereits Tausende Menschen ermordet und sie wollen ihr Herrschaftsgebiet noch vergrößern. Im Sommer 2014 hat der IS ein „Kalifat“ ausgerufen, d.h. einen islamischen „Gottesstaat“, der mit dem Anspruch der Herrschaft über alle Muslime verbunden ist.
Auch in Staaten außerhalb des Nahen und Mittleren Ostens begeht der IS Terroranschläge, so die Anschläge im November 2015 in Paris mit 130 Toten.
Für die Bevölkerung des Irak, die auf ca. 34 Millionen Menschen geschätzt wird, ist das Leben extrem schwierig. Seit Jahren sind die Menschen Gewalt ausgesetzt, viele haben Angehörige verloren. Die staatliche Verwaltung funktioniert kaum, das Bildungssystem ist desolat. Auch die Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise, vor allem wegen des massiv gesunkenen Ölpreises auf dem Weltmarkt; die Arbeitslosigkeit ist hoch. Es herrscht große Perspektivlosigkeit. Auch das treibt viele Menschen zur Flucht.