Ein germanischer Kamm. (Foto: SWR – Screenshot aus der Sendung)

Germanen im Südwesten

Wie stylten sie sich? | Hintergrund

Stand
Autor/in
Sandra Kampmann

Schönheit war nicht allein den Römern vorbehalten. Auch die Germanen legten großen Wert auf ihre Pflege, ihre Kleidung, ihren Schmuck und ihre Haartracht. Schon antike Geschichtsschreiber wie Tacitus berichten über den Schönheitskult der Germanen. Heute können Archäologen aus menschlichen Überresten und Fundstücken aus der Antike rekonstruieren, wie die Germanen sich kleideten, schmückten und pflegten.

Haare sind Kult

Kamm (Foto: Peter Prestel)
Alemannische Kämme, geschnitzt aus Tierknochen. Bild in Detailansicht öffnen
Männliche Haartracht der Germanen: der Suebenknoten (Spielszene) Bild in Detailansicht öffnen

Ein besonderes Augenmerk legten die germanischen Völker auf ihre Haartracht. Die Männer trugen „lang“ und hatten manchmal einen kunstvoll geflochtenen Knoten über der rechten Schläfe oder auf dem Scheitel. Das Haar wurde stets gekämmt und nachgeschnitten - zahlreiche Funde kunstvoll geschnitzter Kämme aus Tierknochen und Rasiermesser weisen darauf hin. Ebenso wichtig wie das Haupthaar war die Barttracht: Schon damals waren feine Schnurr- und Backenbärte in Mode. Auch die germanische Frau flocht ihr meist rötliches oder blondes Haar zu einem Zopf. Die Zöpfe waren insbesondere bei den eher dunkelhaarigeren Römerinnen, die sich gerne mit außergewöhnlichen Perücken schmückten, begehrt und brachten gutes Geld ein. Denn „blond“ war für sie die Haarfarbe der Göttinnen. Allerdings schnitt keine germanische Frau ihren Zopf freiwillig ab: Lange Haare waren ein Zeichen der Freiheit - nur Sklavinnen wurden geschoren und ihre Zöpfe verkauft. Von daher gilt das Klischee des florierenden Handels mit den begehrten Goldzöpfen im antiken Rom nur bedingt.

Körperhygiene und Kosmetik

Schminkutensilien (Foto: Peter Prestel)
Die germanischen Frauen legten Wert auf ihr Äußeres und schminkten sich.

Die Sorgfalt, die die Germanen auf ihre Haare verwendeten, galt dem gesamten Körper. Die Germanen waren durchaus reinliche Menschen und keine zotteligen „Barbaren“. Archäologen fanden heraus, dass sie sich mit einer besonderen Seife wuschen: Ein Gemisch aus feingesiebter Asche von Buchenholz und Ziegentalg. Diese gräulich anmutende Mixtur ähnelt zwar in keiner Weise der Seife von heute, half aber trotzdem gut gegen den Schmutz. Wich-tig war nur, dass das Mischungsverhältnis aus Asche und Fett stimmte, um eine alkalische Substanz mit einem PH-Wert von 9 zu gewinnen. Diese Seife wurde auch als Pomade für die Haare genutzt.

Den glänzenden Haaren entsprach ein weiterer Wunsch: Schon um Christi Geburt hatten Frauen offenbar das Bedürfnis, sich nicht nur zu reinigen, sondern auch ihre Schönheit zur Geltung zu bringen. Das Wort Schminke stammt aus dem Germanischen. Ebenso wie die Römerinnen verstanden es auch die blonden Frauen jenseits des Limes, sich hübsch zu machen und Substanzen aus der Natur für die eigene Verschönerung zu nutzen. Beispielweise färbten sie ihre Wangen und Lippen mit zerriebenem Eisenoxid rot. Auch wenn es verwunderlich scheint: Selbst in der Antike waren nicht alle Substanzen „bio“ und der Gesundheit nicht immer zuträglich. Schmuckstücke waren da unbedenklicher.

Eisenoxid (Foto: SWR – Screenshot aus der Sendung)
Eisenoxid für rote Wangen und Lippen. Bild in Detailansicht öffnen
Aus Asche und Ziegentalg haben die Germanen ‚Seipfa‘ – Seife‘ hergestellt. Bild in Detailansicht öffnen

Schmuck

Glaskugeln (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Die Alamannen verstanden sich auf die Glaskunst (Nachbildung)

Die große Anzahl an Schmuckstücken, die Archäologen in germanischen Siedlungen und in Gräberfeldern freigelegt haben, zeigt den hohen Stellenwert, den diese bei den germanischen Völkern innehatten. Gewandspangen, Gürtelfibeln, Glasperlen, Ringe, Ketten und geschmückte Waffen der Germanen sind in vielen Museen zu bestaunen. Manche Schmuckstücke wie Gewandspangen und Gürtelverschlüsse waren für die tägliche Kleidung unabdingbar, andere, wie Halsketten, Ringe und reich verzierte Waffen trugen die Menschen eher an Fest-tagen. Schmuck galt schon damals ein Zeichen der jeweiligen sozialen Stellung und des persönlichen Reichtums. Viele Schmuckstücke waren nicht aus Gold oder Silber, sondern aus Metall gefertigt, das die Germanen vor allem aus geschmolzenen Münzen gewannen. Besonders wichtig war ihnen die Verzierung, für die man viele Techniken kannte wie etwa das Feuervergolden oder die Filigranarbeit. Häufig wurden auch Halbedelsteine verwendet. Der rote Granat, auch Almandin genannt, war besonders beliebt.

Goldschmuck (Foto: Peter Prestel)
Bei Ausgrabungen in germanischen Siedlungen wurde viel Schmuck gefunden. Bild in Detailansicht öffnen
Buntes Glas war sehr beliebt. (Spielszene) Bild in Detailansicht öffnen

Bärenfell oder Mantel?

Gewebeprobe (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Wissenschaftler untersuchen das Gewebe eines Wollstoffes, das an einem Metallstück gefunden wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Eine Gewebeprobe unter dem Mikroskop. Bild in Detailansicht öffnen

Ebenso wie die Bärenfälle, die die Germanen angeblich trugen. Hartnäckig hält sich dieses Klischee: Schon Caesar schrieb in seinem vierten Buch über die Gallischen Kriege, speziell über den germanischen Stamm der Sueben: „Obwohl die Gegend dort überaus kalt ist, haben sie sich angewöhnt, in den Flüssen zu baden und nichts außer Fellen als Kleidung zu tragen. Da diese sehr kurz sind, bleibt der größte Teil des Körpers nackt.“ Dass das nicht so ganz stimmen kann, ist schon allein den damaligen klimatischen Bedingungen geschuldet. Etwas realistischer als Cäsar beschreibt es der Geschichtsschreiber Tacitus, etwas 150 Jahre später. Er nennt als typische Kleidungsstücke der Germanen Mantel, Umhang, Kittel und Hose. Obwohl es für die Archäologen extrem schwierig ist, nach so langer Zeit, noch verlässliche Textilquellen zu finden, macht die moderne Technik doch vieles möglich. Tacitus‘ Aussage deckt sich weitgehend mit den heutigen Ergebnissen, die Forscher beispielsweise an Funden von Moorleichen festgemacht haben. Die Männer trugen als Unterkleidung meist einen Kittel und eine Hose, darüber einen Mantel. Allerdings war ein Mantel, kein Mantel nach heutigem Verständnis, sondern ein rechteckiges Tuch, das von einer Gewandspange zusammengehalten wurde. Die Frauen besaßen ähnliche Kleidung: In der Regel trugen sie ein langes, hemdartiges Gewand, das die Arme freiließ und mit zwei Gewandspangen auf den Schultern befestigt wurde. Als Kälteschutz diente auch ihnen einen Mantel oder Umhang.

Experten im Weben

Webgewichte (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Die typischen Webgewichte wurden in vielen Siedlungen entdeckt. Bild in Detailansicht öffnen
So wurde vielleicht gearbeitet in alamannischen Stuben (Spielszene). Bild in Detailansicht öffnen

Da die Germanen Selbstversorger waren, stand in beinahe jedem Haus ein Webrahmen. Oft bauten sie neben ihren großen Wohnstallhäusern ein so genanntes Grubenhaus, in dem sie aus Wolle und Leinen Mäntel und Tücher webten. Zusammengehalten wurden die Umhänge mit Gewandspangen, die wie Sicherheitsnadeln funktionierten. Diese Fibeln fanden Archäologen in den Gräbern der Verstorbenen. Paarige Fibeln aus Frauengräbern weisen darauf hin, dass die Kleider an den Schultern befestigt wurden. Forscher haben bei Ausgrabungen auch die so typischen Webgewichte gefunden. Diese Gewichte, meist schwere Keramikringe, wurden an die Enden der Fäden gebunden, damit diese straff blieben. Für die Arbeit am Webstuhl kam in der Antike ein spezielles Werkzeug zum Einsatz: das Webschwert. Damit konnten abspenstige Fäden wieder auf Linie getrimmt werden. Verschiedene Methoden, wie die Computertomographie ermöglichen es den Archäologen heute, organische Reste wie Holz, Fell und Stoff zu analysieren und so Rückschlüsse auf die Materialien zu gewinnen, die die Germanen damals nutzen. So stellten Textilarchäologen fest, dass die Germanen für ihre Kleidung meist Schafwoll- und Leinengarne verwendeten. Diese färbten sie nicht mit Indigo-Blau, sondern mit heimischen Pflanzen. Überhaupt moch-ten die Germanen kräftige und bunte Farben, jedoch ist über die Färbemittel wenig bekannt.

Hintergrundmaterial zum gesamten Schwerpunkt

Germanen im Südwesten | Hintergrund

Hintergrund zu Germanen im Südwesten

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Woher kamen sie?

Als Erste kamen die Krieger: Schwer bewaffnete Reiter, die im dritten Jahrhundert nach Christus den römischen Limes überrannten. Ihnen folgten die Siedler. Und während das römische Imperium immer schwächer wurde, siedelten sich im Südwesten Deutschlands neue Völker an: die Sueben und Alamannen, die einst zwischen Oder und Elbe lebten.
Der Film erkundet die Gründe für den Limessturm und die anschließende Einwanderung der Germanen. In einem Experiment klären wir, wie die germanischen Krieger schwer bewaffnet, aber ohne Steigbügel reiten konnten.

Germanen im Südwesten SWR Fernsehen

Wie siedelten sie?

Die Germanen waren Landmenschen, sie waren Selbstversorger, lebten recht einfach – im kompletten Gegensatz zu den Römern, deren ehemalige Gebiete sie besiedelt hatten. Die Natur war ihnen sehr wichtig, manche Orte verehrten sie als heilig. An den Thingstätten wurde über Krieg und Frieden beraten, über Streitfälle entschieden und auch die Anführer gewählt.
Warum die Germanen im Südwesten so einfach lebten und viele Errungenschaften der Römer ablehnten, darüber rätseln die Forscher bis heute. Vielleicht waren die Sueben und Alamannen ja einfach nur stur.
Der Film zeigt die sehr entgegengesetzte Lebensweise der Germanen zur Zivilisation der Römer: die einfache Bauweise ihrer Häuser, die kleinen Dörfer mit ihrer Selbstversorgung und die Selbstbestimmung der kleinen Herrschaftseinheiten.

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Wie kämpften und wie jagten sie?

Archäologische Ausgrabungen in Lauchheim auf der Schwäbischen Alb bringen es zutage: Wohl waren die Germanen gefürchtete Krieger, doch Pfeil und Bogen dienten noch einem anderen Zweck: der Jagd. Wie ein germanischer Bogen gefertigt wird – aus einem einzigen Stück Eibenholz – zeigt das Experiment.
Der Film zeigt auch, dass in Lauchheim vorwiegend eine bäuerliche Gesellschaft lebte, die ihre wenigen Fleischtage mit etwas Jagd aufbesserte. Und der eine oder andere glückliche Krieger brachte einen Hauch von Luxus ins Dorf, wenn er erfolgreich von einem Beutezug zurückkehrte. Aus den Ausgrabungen schließen die Forscher: Angenehm unspektakulär lebten unsere Vorfahren im Südwesten vor 1500 Jahren.

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Wie stylten sie sich?

Langes Haar war bei den Germanen das Vorrecht des freien Mannes. Sklaven wurden die Haare geschoren. Wenn die freie Germanenfrau einen Eid schwor, dann stolz auf ihren meist blonden Zopf. Und sie ging selten ungeschminkt aus dem Haus: Lippenrot, Lidschatten und Rouge waren weit verbreitet, das haben die Archäologen nachgewiesen.
Dass die Germanen im Südwesten reinlich waren, beweist unser Experiment. Aus feingesiebter Buchenholzasche und Ziegentalg stellen wir Seife her, „Seipfa“ wie sie selbst es nannten. Auch die Kleidung webten und färbten die Germanen im Südwesten selbst. Sie benutzten hauptsächlich Wolle und Leinen, liebten kräftige Farben und webten gern „vierbindige Gleichgradköper“. Wir alle tragen diese Stoffart heute noch: mit unserer Jeans!

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Wie ernährten sie sich?

Rind, Schwein, Schaf und Ziege standen auf dem Speisezettel der Germanen, aber auch Gerste und Linsen als Proteinersatz. Das haben Auswertungen von Funden in Siedlungen und Gräbern ergeben. Eigentlich eine ausgewogene Ernährung, so das Fazit einer Ernährungsberaterin. Dennoch litten die Alamannen an Mangelernährung. Der Film zeigt, was sie aßen und auch, was sie gerne tranken: Bier zum Beispiel, dessen Bestandteile heute genau bekannt sind und das experimentell nachgebraut wird: Das Alamannen-Bier ist das erste gehopfte Bier, so wie wir es heute kennen.

Germanen im Südwesten SWR Fernsehen

Woran glaubten sie?

Der Glaube eines Volkes, das uns selbst kaum Schriftquellen hinterlassen hat, ist natürlich schwer zu rekonstruieren. Auch gibt es keine Tempel oder Kirchen, denn so viel weiß man: Die Germanen im Südwesten hatten eine ausgeprägte Naturreligion, verehrten Bäume, Flüsse, Quellen und auch Tiere. Die Bezeichnung der Wochentage geht vermutlich auf die germanische Götterwelt zurück.
Der Film beleuchtet anhand des „Sängergrabs von Trossingen“ die germanischen Bestattungsriten. In Experimenten werden Grabbeigaben nachgebaut: eine Leier und verschiedene Holzobjekte.

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Sandra Kampmann