Tierische Flugpioniere | Unterricht

Stand
Autor/in
Bernhard Maier

„Wer fliegen lernen will, muss erst einmal lernen, mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen! – Man kann nicht mit dem Fliegen anfangen ...“ (Friedrich Nietzsche, 1844-1900)

Um diesen Gedanken herum kann man verschiedene Überlegungen zum Einsatz und zum Inhalt dieses Filmes anstellen: Gemäß der Output-Orientierung der neuen Bildungsstandards müssen sich die Schüler die biologischen Grundprinzipien (zum Beispiel das Gegenspieler-Prinzip, das Prinzip der Oberflächeneinfaltung zur Vergrößerung, ...) erarbeiten, um so eine immer mehr vernetzte Grundlage für ihr biologisches Fachwissen zu erwerben.

Eine Silbermöwe fliegt vor blauem Himmel.
Silbermöwe im Flug

Frei nach Nietzsche stünden sie jetzt erstmal fest am Boden – wir Lehrer sollen sie dann das Fliegen lehren. Im Lern- und Verständnisprozess wäre das die Zuordnung auf die acht Basiskonzepte der Biologie:


1. Struktur und Funktion

2. Kompartimentierung

3. Reproduktion

4. Steuerung und Regelung

5. Stoff- und Energieumwandlung mit Fortbewegung

6. Variabilität und Angepasstheit

7. Information und Kommunikation

8. Geschichte und Verwandtschaft



Unter diesen Konzepten spricht die Sendung einzelne sehr direkt an. Zu diesen nehme ich deshalb kurz Stellung.

Eine farbenprächtige Libelle in Rot, Orange und Violett sitzt vor grünem Hintergrund auf dem Ende eines Stängels.
Die Libelle besitzt zwei Flügelpaare

Struktur und Funktion

● Lebewesen und Lebensvorgänge sind an Strukturen gebunden.

● Strukturen (Formen, Aussehen,..) passen zur Funktion.

● gleiche Funktion führt zu gleichen Formen (evolutive Angepasstheiten)

● Damit sollte man von gleicher Form ausgehend gleiche Funktionen zuordnen oder entdecken können – beziehungsweise umgekehrt.

Für Unterstufenklassen bietet der Film vergleichende Beobachtungen zum Fliegen. (Was haben alle fliegenden Tiere gemeinsam? Wodurch unterscheiden sich Segler und Aktivflieger? Was verursacht den Auftrieb, was den Vortrieb? ...und dabei ist es egal, aus welcher Tierklasse das betrachtete Tier stammt.) Für motivierte Klassen oder höhere Jahrgangsstufen kann die Aufgaben-/Fragestellung in diesem Basiskonzept den Film verlassen: Der Film zeigt verschiedene fliegende Tiere – es wird dabei unter anderem auch das Gewichtsproblem (zum Beispiel aufwendiger Start eines Schwans oder Flugsauriers) aufgegriffen.

● Welche Entwicklungen/Anpassungen zur Gewichtsreduktion haben diese Tiere? Die hohlen Knochen der Vögel sind in der Regel bekannt, aber Insekten haben keine Knochen.

● Wie war das bei den Flugsauriern, wie ist das bei Fledertieren? ...

● Wie funktioniert das Gegenspielerprinzip beim Insektenflügelschlag (verhakte Flügel als Fläche oder vier unabhängige wie bei der Libelle, die unterschiedlich bewegt werden)?

● Warum legen Vögel Eier?

… und vieles mehr

Das Basiskonzept, Stoffwechsel – Energie und Fortbewegung, erlaubt ebenfalls einen Zugang, da der Film die treibenden Kräfte im Tierreich klarstellt: Alle Bewegungen sind für Lebewesen nur sinnvoll und möglich, wenn sie energetisch vorteilhaft sind. Mangelnde Nahrung und/oder dauerhafte Bewegung verbrauchen alle Energiereserven, das betroffene Lebewesen wird daran sterben. Fliegen wird als energieeffizient (Langstreckenflug) vorgestellt, die Tiere erobern einen neuen Lebensraum, eine unbesetzte ökologische Nische, sie erweitern ihr Beutespektrum oder weichen einem Fressfeind dadurch aus.

Ein Storch beim Flug vor blauem Himmel.
Störche können fliegend sehr weite Strecken zurücklegen Bild in Detailansicht öffnen
Zwei Straußenvögel stehen auf einem sandigen Boden
Strauße können nicht fliegen aber sehr schnell rennen Bild in Detailansicht öffnen

Variabilität und Angepasstheit:

● Lebewesen sind ihren Lebensbedingungen angepasst, das betrifft Körperbau und physiologisches Vermögen.

● Angepasstheit wird durch genetische Variation (Meiose, Mutation, gen. Neukombination) ermöglicht. Sie führt zu unterschiedlichen Phänotypen, unter denen die Umwelt selektiert.

Dass die Eroberung des Luftraumes und das Fliegen das gemeinsame Ziel der im Film vorgestellten Tiere war/ist, erkennen die Schüler leicht. Welche für alle Tiere gleichen Faktoren hier selektieren (zum Beispiel Erdanziehung, also Gewicht / Luftwiderstand, also Körperform / Fressfeinde und Beutetiere, also Körpergröße /...) und welche Variabilitäten/Anpassungen dadurch selektiert wurden, kann man gut mit dem Film erarbeiten. Für Unterstufenklassen bietet die Vielfalt der verschiedenen gezeigten Vögel nun einen komplementären Ansatz zu obigem Basiskonzept. Jetzt gilt es nicht, die gemeinsamen Kennzeichen für Flug und Flieger zu entdecken, sondern den Blick auf die Vögel alleine zu richten.

● Wie verändern sich Körperbau, Größe, Gewicht, Fuß- und Schnabelform – je nach Lebensbedingungen?.

● Wie lässt sich ein Pinguin oder ein Strauß mit einem Kolibri und einer Schwalbe vergleichen?Dieses Basiskonzept greift das vorherige Konzept auf und leitet in das dritte, Geschichte und Verwandtschaft, über.

Geschichte und Verwandtschaft:

● Abgestufte Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen allen Lebewesen sind das Ergebnis der stammesgeschichtlichen Evolution. (mögliche Stichworte: Biodiversität, Phylogenese)

● Die Individualentwicklung (=Ontogenese) ist von der stammesgeschichtlichen Entwicklung (=Phylogenese) deutlich zu unterscheiden. (Anknüpfungsmöglichkeiten: Lamarck, Häckel, Darwin, Punktualismus, Gradualismus...)

● Entwicklungen, Veränderungen und Angepasstheiten zeigen nicht nur Lebewesen für sich, auch Arten, Symbiosen, ökologische Nischen, ganze Biozönosen (= Lebewesen eines Ökosystems) entwickeln sich. (Anknüpfungsmöglichkeiten: Co-Evolution, adaptive Radiation, ...)

Nachbildung eines Archäopteryx, der auf dem Boden auf einen Baum im Blumentopf zuläuft.
Trickaufnahme: Der Archäopteryx startet vom Boden aus Bild in Detailansicht öffnen
Nachbildung eines Archäopteryx, der auf einem kleinen eingetopften Baum sitzt.
Trickaufnahme: Der Archäopteryx nutzt den Baum als Starthilfe Bild in Detailansicht öffnen

Der Titel der Sendung „Tierische Flugpioniere“ ist zugleich eine Fragestellung an die Vergangenheit: Wer hat – wann und wie den Luftraum erobert? Das Warum klärt der Film, es ist aber erst einmal sekundär. Die Thematik selbst setzt den Fokus spontan auf das dritte Basiskonzept. Es ist durchaus interessant, den Film vor den Vögeln anzuhalten und die Entscheidungsfragen „Vom Laufen zum Gleiten oder vom Klettern zum Gleiten“ beziehungsweise „Gleitflieger oder Flatterflieger“ mittels Recherche von den Schülern (Mittel-/Oberstufe) vorklären zu lassen.
Für die Kursstufe eignen sich verschiedene Zugänge, die dem Titel adäquat im Gebiet „Evolution“ verankert sind:
Wer die Möglichkeit hat, ein Naturkundemuseum zu besuchen, das über Tafeln, Modelle und ähnliches zur Erdgeschichte verfügt, kann dort, ausgehend vom Konzept der Natur „vom Wasser an Land in die Luft“, die Schüler einen erdgeschichtlichen Abriss erarbeiten lassen. Hier sollten Erdzeitalter, jeweils vorherrschende Tiere und Pflanzen sowie letztlich die „Flieger“ unter den Tieren zusammengestellt sein.

In einem großen Raum stehen mehrere Saurier-Skelette. Das Skelett eines Flugsauriers ist an der Decke aufgehängt.
Dinosaurier-Skelette im Museum

Was für Unterstufe die Artenvielfalt und die Angepasstheit an Lebensbedingungen ist, verbirgt sich hinter dem Begriff Biodiversität. Die Vielgestaltigkeit der Lebewesen, eben auch der Flieger, und ihre unterschiedliche verwandtschaftliche Nähe machen es möglich, Begriffe und Strategien dieser Unterrichtseinheit zu erarbeiten, zum Beispiel:
● Homologie, Analogie, Konvergenz – die Klassiker; anhand der Flugextremitäten beziehungsweise der Vorderextremitäten der Wirbeltiere.
● Präzipitintest oder DNA-Hybridisierung, diesmal nicht zwischen Menschen und seinen Verwandten, sondern zwischen den Fliegern und exemplarischen Vertretern der Wirbeltierklassen.
● Stammbaumerstellung oder Kladogramm, nicht am Pferdestammbaum, sondern über die Wirbeltierklassen oder zu den Laufvögeln.
● Der Vergleich zwischen Caudipteryx, Archäopteryx und einem modernen Vogelskelett mit Blick auf die Feder und ihren Bau runden den Film mit dem Konzept des Brückentiers („missing link“) und seiner Bedeutung für die Evolution ab.

Stellen Sie mal ihren Schülern folgende Aufgabe: Angenommen man findet ein Brückentier zwischen Fischen und Vögeln – nennen Sie je drei Merkmale, die diese Interpretation stützen. (Beachten Sie dabei gleiche Funktionen oder: homologe Organe können nicht doppelt belegt werden; also Kiemen und Lunge zugleich geht nicht, oder Brustflossen und Flügel als Flossen zugleich geht nicht.) Ihre Schüler finden in der Regel eine Merkmalskombination, die sie bei folgender Aufgabe oft völlig verunsichert: Bewerte nun die Existenz der Pinguine.

Arbeitsblätter

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Bernhard Maier