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Menschenpyramiden in Katalonien

Menschenpyramiden in Katalonien

"Tronada" nennen das die Katalanen - Donnerschlag. Er gibt den Weg frei für den Drachen. Und danach für die Teufel, die schon seit Jahrunderten alljährlich durch die Stadt ziehen. Die Festa Major, das Stadtfest, ist nicht nur für die Tanzgruppen Höhepunkt des Jahres. Von Girona bis Tarragona, von Lleida bis Barcelona, an allen Ecken Kataloniens hüpft, knallt und pfeift es. Einfach zugucken ist aber nur der halbe Spaß. Wenn Katalanen feiern, ist mitmachen alles. Hand anlegen. Eintauchen ins Gewühl. Zugreifen.


An der "Festa Major" geraten die Katalanen außer Rand und Band, drängen sich in blindem Eifer auf den Platz ihrer Stadt. Und dann klettern sie aneinander hoch und bilden eine Pyramide aus Menschen. In uniformierten Vereinen steigen diese Leute um die Wette in die Höhe. Castells - Türme oder Burgen - nennen sie ihre zittrigen Bauwerke.


Was ursprünglich im Kleinen Beiwerk religiöser Prozessionen war, machten die Katalanen zum Nationalsport. Und immer höher wurde "gebaut": Von Januar bis Dezember gibt es Wettkämpfe, bei denen verschiedene "collas" (Vereine) gegeneinander antreten. Neun Stockwerke muss ein Verein, der etwas auf sich hält, heute schon leisten. Bis zu 100 Menschen sind an einem solchen Turm beteiligt. Heute träumen alle vom "deu", dem Zehner, der aber noch keiner "colla" gelungen ist.


Nach einer politisch bedingten Flaute während der Franco-Diktatur blüht die Casteller-Bewegung heute auf wie schon lange nicht mehr - vielleicht unter dem Einfluss des regionalen Fersehens, das die Wettkämpfe überträgt. Ohne Zweifel hat aber auch die Politik dazu beigetragen. Katalonien hat der Zentralregierung hartnäckig immer mehr regionale Befugnisse abgerungen.Das Bewusstsein der Katalanen, innerhalb Spaniens eine "eigene Nation" zu sein, hat alle eigenständigen kulturellen Ausdrucksformen des Sechsmillionenvolkes in den letzten Jahren beflügelt.


Ein Film von Walter Tauber


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