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Die Stellung der Frau im alten und im modernen Japan

Die westliche Vorstellung von der zarten, zerbrechlichen Japanerin, die Gedichte rezitiert und Tee serviert, trifft auf die meisten Frauen des frühmittelalterlichen Japan nicht zu: Ähnlich wie die Frauen im "Wilden Westen" waren sie Pioniere, die fest mit anpackten, Land urbar machten und - wenn nötig - auch kämpften. Wenn die Herren des Hauses wieder einmal in eines der unzähligen Gefechte zogen, von denen Japan über viele Jahrhunderte gebeutelt wurde, blieben die Frauen mit der Naginata als Hüterinnen des Hauses zurück und kämpften gegen angreifende Räuberbanden.


Die Vorstellung von Kriegerinnen, die zusammen mit Männern auf dem Schlachtfeld stehen, entspricht aber nicht der Wirklichkeit: In den alten Kriegsballaden tauchen Frauen fast nur am Rande auf. Meist in klassischen Rollen, als tragisches Opfer, loyale Ehefrau oder als rachsüchtige Mutter. Es gab jedoch einzelne Fälle von Frauen, die sogar als Generäle von sich reden machten und stark und unerbittlich kämpften.

Eine historische Zeichnung einer Frau im Kimono

Als 1600 eine friedlichere Zeit begann, in der die Handhabung von Waffen sich von der bloßen Verteidigung zur Kampfkunst entwickelte, wurde der bushido, der Verhaltenskodex der Krieger, auch für Frauen bedeutsam. Seine wichtigsten Pfeiler sind Selbstaufopferung, Ehre und Loyalität. Frauen wurden weiterhin angehalten, den Umgang mit der Naginata zu lernen, jetzt nicht mehr zur Selbstverteidigung, sondern um über den bushido ihre Rolle in der Gesellschaft einzunehmen: Die Frau sollte ihrem Ehemann gegenüber so loyal und unterwürfig sein wie der Samurai gegenüber seinem Herrn - die Naginata trainierenden Frauen waren damals also alles andere als Amazonen.


Obwohl viele Frauen Naginata lernten, gab es wenige unter ihnen, die berühmt wurden. Eine von ihnen war Murakaki Hideo, geboren 1863. Sie war eine sehr gewandte Kämpferin, die nach dem Tod ihres Lehrers loszog, um ihren eigenen Weg zu finden und andere Kampfstile kennen zu lernen. Sie schloss sich einer der vielen Schaustellertruppen an, die herumzogen, Zweikämpfe mit verschiedenen Waffen vorführten und Herausforderungen aus dem Publikum annahmen. Angeblich hat Murakaki niemals einen Kampf verloren. Später wurde sie Trainerin und eröffnete selbst eine Schule.


Dass eine Frau so selbständig und emanzipiert ihr Schicksal in die Hand nahm, war absolut unüblich. Die meisten Frauen blieben im eng begrenzten Bereich der Familie, für die sie sich völlig aufopfern sollten.


Ein Paar beim essen

Noch heute ist die Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft stark von diesen Vorstellungen geprägt. Die erfolgreiche Naginata-Kämpferin Michio Kometani hat Gewissensbisse, wenn sie wegen des Trainings ihre Pflichten im Haushalt vernachlässigt - die sie sowieso schon neben ihrer Berufstätigkeit erledigt: "Wenn ich mich im Training anstrenge, vernachlässige ich den Haushalt mehr und mehr. Ob das richtig ist?" Selbst die Beteuerungen ihre Mannes, dass er bereit sei, diese Belastung mit zu tragen, können ihre Skrupel nicht ganz verscheuchen.


Heute sind viele Japannerinnen berufstätig, aber ihre Jobs sind oft schlechter bezahlt und auch bei hoher Qualifikation finden sie sich meist nur auf untergeordneten Positionen. Auch im Steuer- und Rentensystem sind die Frauen benachteiligt.


In Japan ist die Antibabypille nicht zugelassen. Abtreibungen sind aus diesem Grund ein regulärer Teil der Familienplanung. Eine Babypause wirkt sich auf die Karriere der Frau oft verheerend aus.Junge Frauen in einer U-Bahn Kein Wunder also, dass die Geburtenzahlen in den letzten Jahren stark zurückgegangen sind - viele Frauen möchten erst später oder überhaupt nicht heiraten, auch weil sie sich ein Leben als Hausfrau und Mutter nicht vorstellen können. Die meisten japanischen Männer sind nämlich nicht bereit, Aufgaben im Haushalt oder der Kindererziehung zu übernehmen.


Allmählich gelingt es jedoch immer mehr Frauen, entgegen den Vorstellungen der gesellschaftlichen Mehrheit einen individuellen Lebensstil zu entwickeln und sich von den Beschränkungen durch die überlieferten Geschlechterrollen zu befreien.


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