Landgewinnung

Ihren Namen tragen die „Niederlande“ nicht umsonst. Das Land ist sehr flach, ein Viertel liegt sogar niedriger als der Meeresspiegel. Das liegt daran, dass die Niederländer einen Teil ihres Landes dem Meer abgerungen haben: Flache Bereiche des Meeres wurden eingedeicht und das Gebiet innerhalb der Deiche leer gepumpt. Der trockengelegte Meeresboden, nun Polder genannt, wurde so zum Festland, das besiedelt und landwirtschaftlich genutzt werden konnte.

Buhnen an holländischem Strand
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Eine andere Möglichkeit Land zu gewinnen, hat mit den Gezeiten zu tun. Durch den ständigen Wechsel von Ebbe und Flut sammelt sich an der Küste Schlick an. An der Nordseeküste nutzt der Mensch diese natürliche Ablagerung und beschleunigt sie durch den Bau von Buhnen. Buhnen sind Reihen aus Holz oder Beton, die ins Wasser ragen und es beruhigen. Das Abfließen des Meerwassers bei Ebbe wird gebremst, die feinen Schwebteilchen im Wasser setzen sich ab. Mit der Zeit wird der Meeresboden höher und nach einigen Jahren kann hier eine besondere Pflanze wachsen: der Queller. Mit seinen Wurzeln befestigt er den Boden und hält außerdem weiteren Schlick zurück. Sobald das angeschwemmte Erdreich hoch genug ist, wird ein Deich davor gebaut: Neuland ist gewonnen. An der Nordsee heißt aus dem Meer gewonnenes Land auch Koog. Früher wurden die flachen Köge vor allem landwirtschaftlich genutzt. Heute dienen die Flächen hauptsächlich dem Küstenschutz.

Gracht in Amsterdam
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Wellenbrecher aus Beton
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Land lässt sich aber auch unabhängig von den Gezeiten gewinnen. An manchen Küsten werden Sand und Kies künstlich aufgeschüttet, um die Küste zu sichern oder um Baugrund zu schaffen. In Dubai am Persischen Golf wurde Meersand aufgeschüttet und so mehrere Inselgruppen geschaffen.

Jachthafen in Dubai
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Die Regierung der Malediven ließ mit Korallensand Inseln erweitern oder neue anlegen. Für den Inselstaat im Indischen Ozean ist der Küstenschutz ein besonderes Problem: Ein Großteil der Malediven-Inseln liegt nicht einmal einen Meter über dem Meeresspiegel!

flache Malediven-Inseln
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Küstenschutz und Deichbau

Die Brandung des Meeres setzt den Küsten ständig zu: Sie bearbeitet flache Uferzonen und Steilküsten gleichermaßen und formt diese dabei um. Besonders stark ist die Kraft des Meeres bei Sturmfluten, die ganze Küstengebiete überfluten und abtragen können. Die Erderwärmung verstärkt diese Gefahr durch den steigenden Meeresspiegel noch. Um Zerstörungen durch das Wasser so weit wie möglich zu verhindern, bemühen sich die Menschen schon seit langem um Küstenschutz.

Brandung
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„Wer nicht deichen will, muss weichen!“ Diese alte Weisheit spricht davon, dass an vielen Küsten und auch an Flussufern der Bau von Deichen nötig ist, um das Land vor den Wassermassen zu schützen. Deiche sind langgezogene Bauwerke mit einem besonderen Querschnitt: Zum Wasser hin sind sie flacher, damit die Wellen langsam ausrollen können und der Deich nicht so schnell bricht. Ein Deich sollte außerdem mindestens so hoch sein, wie es der höchste Wasserstand war. Gleichzeitig muss er sehr stabil sein. Sein Kern besteht meist aus Sand, über den Erdreich geschüttet wird. Auf seiner Oberfläche wächst Gras. Das Gras soll verhindern, dass Sand und Erde zu schnell weggespült werden. Viele Deiche liegen ein Stück weit im Landesinneren, damit sich das Meer schon davor „austoben“ kann. Manchmal liegt noch ein niedrigerer Deich vor dem Hauptdeich, um kleine Fluten schon hier aufzuhalten.

Befestigung am Strand: Begehbarer Deich
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Küstenschutz in Dänemark
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Von manchen Küsten wird durch die Brandung sehr viel Sand weggespült. Zu ihnen gehört die Küste von Sylt. Würde der Mensch nichts unternehmen, dann würde die Insel im Lauf der Zeit vom Meer weggespült werden. Damit solche sandigen Küsten nicht völlig im Meer versinken, werden sie künstlich mit Sand aufgeschüttet. Diese Methode ist allerdings aufwändig und teuer und muss in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Strand von Sylt
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Steilküsten sind weniger von Überschwemmungen bedroht, weil das Land dahinter höher liegt. Doch die Kraft des Wassers trägt auch hier das Felsgestein ab und nagt an der Küstenlinie. Um diesen Vorgang zu bremsen, können Pfahlreihen oder Betonmauern vor der Küste errichtet werden. Diese Bauten sollen die Wellen brechen und die Kraft der Brandung verringern.

Das Meer formt Küsten

Überall dort, wo Meerwasser auf Festland trifft, sprechen wir von einer Küste. Weil die Küste der Kraft des Meeres ohne Unterbrechung ausgesetzt ist, verändert sie sich ständig. Wie stark das Wasser am Festland nagt, hängt von der Festigkeit des Gesteins, von der Höhe der Wellen, den Meeresströmungen und den Gezeiten ab.

flacher Sandstrand
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Sanfte Meereswellen, die Sand und Kies aufs Flachland spülen, schütten Sandbänke auf und schaffen einen Strand. Durch das Wasser wird das Geröll weiter zerkleinert, der Strand immer wieder umgeformt. Verschieben Wellen und Wind den Sand seitwärts, wächst ein Haken aus Sand ins Meer. Erreicht dieser Haken das gegenüberliegende Ende einer Bucht, wird der Haken zur Nehrung. Eingeschlossen von der Nehrung bleibt vom Meerwasser ein See: das Haff.

Küste in Dänemark
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Die Brandung bearbeitet jedoch nicht nur den feinen Sand. Sie kann selbst hartes Gestein abtragen, wenn sie mit Wucht gegen den Fels einer Steilküste donnert. Schleppt das Wasser abgebrochene Gesteinsbrocken mit, schmirgelt es den Fels in Höhe der Wellen weiter aus: Hohlräume bilden sich. Bricht der darüber liegende Fels ein, bleiben zurückweichende Buchten übrig und Kaps, die wie Landarme ins Meer reichen. Manchmal bleiben auch nur einzelne Türme aus Felsgestein im Meer stehen, die vom Wasser weiter bearbeitet werden und irgendwann ebenfalls einbrechen. Besonders stark ist die Kraft des Meeres bei Sturmfluten. Sie können die Form und den Verlauf der Küste extrem verändern.

Steilküste: Die Insel Capri im Mittelmeer
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Ein ewiges Hin und Her von feinem Sand und Ton herrscht an flachen Gezeitenküsten. Der Wechsel von Ebbe und Flut sorgt dafür, dass das Material immer wieder angeschwemmt und weggespült wird. Das Ergebnis ist eine Wattenküste. Der schlickhaltige Wattboden wurde vom Wasser angespült und abgelagert und ist bei Flut vom Meer bedeckt. Bei Ebbe zeigen sich im Wattboden Rinnen – die Priele. Durch sie fließt das Meerwasser, ähnlich wie in einem Flussbett, bei Ebbe ab und bei Flut wieder in Richtung Land.

Wattboden mit Prielen
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Ebbe und Flut

Wer schon an der Nordsee oder am Atlantik Urlaub gemacht hat, kennt das Problem: Man geht zum Schwimmen an den Strand und das Wasser ist viel weiter entfernt als beim letzten Bad. Der Wasserstand ist gesunken: Es ist Ebbe. Wer jetzt ins Wasser möchte, muss entweder ein Stück weit über feuchten Sand und Schlick laufen oder ein paar Stunden warten, bis die Flut kommt und das Wasser wieder steigt.

Watt bei Ebbe
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Ebbe und Flut wechseln sich in einem regelmäßigen Rhythmus ab. Diesen Wechsel nennt man Gezeiten. Der Zeitabstand zwischen Ebbe und Flut beträgt etwas mehr als sechs Stunden. Zwischen einer Flut und der nächsten liegen zwölf Stunden und 25 Minuten. Wie stark das Wasser steigt und fällt, hängt von der Küste ab. An der Nordsee misst der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser etwa zwei bis drei Meter. Andernorts ist er aber wesentlich größer: In der Bay of Fundy in Kanada schwankt der Wasserpegel um 15 bis 21 Meter – das ist der höchste Tidenhub der Welt!

Nordseeküste
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Insel Mont-Saint-Michel an der französischen Küste, früher nur bei Ebbe zu erreichen, heute durch Damm Verbindung mit Festland
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Woran aber liegt es, dass das Wasser in den Ozeanen hin und her schwappt? Die Lösung steckt in der Anziehungskraft des Mondes. Diese Kraft verursacht zwei riesige Flutberge, unter denen sich die Erde dreht. Einer der beiden kommt direkt durch die Anziehungskraft des Mondes zustande, denn dieser zieht das Wasser zu sich hin. Der zweite Flutberg befindet sich genau auf der gegenüberliegenden Seite der Erde. Dieser entsteht, weil sich die Erde durch die Anziehungskraft des Mondes nicht vollkommen gleichmäßig dreht, sondern etwas „eiert“. Als Folge entsteht eine Fliehkraft, die das Wasser vom Mond wegzieht. Beide Flutberge sind ungefähr einen halben Meter hoch.

Mond bei Ebbe
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Nicht nur der Mond, auch die Anziehungskraft der Sonne wirkt auf das Wasser. Wenn Sonne und Mond auf einer Linie liegen, dann steigt durch die gemeinsame Anziehungskraft die Flut höher als normal: Es gibt eine „Springflut“. Stehen Sonne und Mond dagegen in einem 90 Grad Winkel zur Erde, dann heben sich ihre Kräfte teilweise auf. Das Ergebnis ist eine weniger hohe Flut, die Nippflut.