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Zu Hause in Deutschland

Merhaba heißt Guten Tag | Hintergrund

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Autor/in
Banu Beyer

Die Türkei und die Türken

Geografie

Türkische Briefmarke mit Landeskarte (Foto: colourbox)
Türkische Briefmarke mit Landeskarte

Die Türkei liegt auf zwei Kontinenten, Europa und Asien, und verbindet sie über Bosporus und Dardanellen. Der europäische Teil, Thrakien, grenzt an Griechenland und Bulgarien. Der asiatische Teil, auch als Anatolien bekannt, stößt im Süden und Südosten an Syrien und den Irak, im Osten an den Iran und an Armenien und im Nordosten an Georgien. Anatolien ist eine Halbinsel, deren Küsten am Schwarzen Meer, Ägäischen Meer und am Mittelmeer liegen.

Die Geografie der Türkei zeigt große Vielfalt. Der europäische Teil des Landes wird durch wellige, fruchtbare Ebenen, die von niedrigen Bergen umgeben werden, charakterisiert. Auf der asiatischen Seite durchziehen lange Bergrücken Westanatolien, getrennt durch tiefe Täler. Am südlichen Teil des mittel-anatolischen Hochlands ziehen sich die drei Hauptketten des Taurus am Mittelmeer entlang. Weiter im Osten befindet sich das Ararathochland, und dort liegt auch der größte See der Türkei, der Vansee.

Die klimatischen Bedingungen variieren in der Türkei stark, je nach Landesteil. So ist die Schwarzmeerküste sehr grün und fruchtbar, der Osten der Türkei dagegen karg, mit heißen Sommern und sehr kalten, schneereichen Wintern.

Karte von Europa, auf der Deutschland und die Türkei markiert sind. (Foto: SWR)
Landkarte der Türkei (Foto: SWR)
Karte der Türkei
Blick in eine Hügellandschaft auf der Halbinsel Karaburun. (Foto: Beyer / Arslan)
Hügellandschaft auf der Halbinsel Karaburun Bild in Detailansicht öffnen
Brücke über den Bosporus (Foto: colourbox)
Brücke über den Bosporus Bild in Detailansicht öffnen

Wirtschaft

Istanbul (Foto: colourbox)
Istanbul

Die Türkei ist ein Land mit einer aufstrebenden jungen Population und einer boomenden Wirtschaft Mit 11,7 Prozent Wachstum im ersten Quartal 2010 hat die Türkei eine der weltweit höchsten Wachstumsraten. Textilindustrie und Tourismus gehören zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren der Türkei. Allerdings herrscht eine große Kluft zwischen Stadt und Land und zwischen dem industrialisierten Westen der Türkei und der agrarisch geprägten Osttürkei.

Religion in der Türkei

Deckengewölbe einer Moschee (Foto: colourbox)
Deckengewölbe einer Moschee Bild in Detailansicht öffnen
Die Blaue Moschee (Foto: colourbox)
Die Sultan-Ahmed-Moschee (Blaue Moschee) in Istanbul Bild in Detailansicht öffnen

Die Türkei ist ein laizistischer Staat, dessen Bevölkerung sich überwiegend zum Islam bekennt. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung sind 99,8 Prozent der türkischen Staatsbürger Muslime. Da in der Türkei Gläubige nicht formal in die muslimische Gemeinschaft aufgenommen werden und auch kein einführendes Ritual, vergleichbar der christlichen Taufe praktiziert wird, gibt es auch keinen formalen Austritt. Konfessionslose werden in der staatlichen türkischen Statistik offiziell als Muslime geführt. Daher gilt jeder Einwohner der Türkei automatisch als Muslim, sofern er nicht ausdrücklich einer anderen Religion zugeordnet wird.

Das Verhältnis des Staates zur islamischen Religion wurde vom ersten türkischen Präsidenten Mustafa Kemal Atatürk klar geregelt. Mit der Gründung der Republik, 1923, bekam jeder türkische Staatsbürger, unabhängig von seiner Religion, gleiche staatliche Rechte und Pflichten. Der türkische Laizismus trennt Religion und Staat nicht absolut, aber stellt die Ausübung der Religion unter staatliche Kontrolle. Diese staatliche Aufsicht betrifft alle Religionen in der Türkei, auch die Hauptreligion, den sunnitischen Islam.

Türkische Einwanderung nach Deutschland

Ein Glas schwarzer Tee (Foto: colourbox)
Schwarzer Tee, ein Lieblingsgetränk vieler Türken, serviert im traditionellen Teeglas. Bild in Detailansicht öffnen
Türkische Bergarbeiter sitzen auf einer Bank (Foto: dpa)
Türkische Bergarbeiter in Deutschland Bild in Detailansicht öffnen

Die türkische Abwanderung nach Westeuropa begann mit dem deutschen Wirtschaftsboom in den 1950er Jahren. Das erste gesetzliche Abkommen, welches der Türkei ermöglichte Arbeiter zu entsenden, wurde 1961 mit der BRD unterschrieben. Der Höhepunkt der türkischen Arbeitsmigration fand in den frühen 1970er Jahren statt. Spätere türkische Einwanderer kamen vor allem aufgrund von Familienzusammenführungen, Eheschließungen und später auch als Asylsuchende.

In den frühen 1980er Jahren verschärfte sich die politische, soziale und wirtschaftliche Situation in der Türkei. Am 12. September 1980 putschte das türkische Militär. Das löste eine Welle von politischen Flüchtlingen aus. Auch die Verschärfung des kurdischen Konfliktes führte dazu, dass eine zunehmende Anzahl türkischer Bürger in verschiedenen europäischen Ländern Asyl suchten. Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung baten zwischen 1980 und 2005 über 664.000 türkische Bürger um Asyl in anderen europäischen Ländern. Die Türkei galt jahrzehntelang als Auswanderungsland. Mittlerweile aber hat sich die politische und soziale Situation gewandelt und Flüchtlinge aus anderen Ländern suchen Zuflucht in der Türkei. Die Türkei nimmt viele Menschen auf, die vor Bedrohungen aus ihren Heimatländern fliehen, insbesondere aus Syrien, dem Irak und Iran.

Seit 1980 brauchen türkische Staatsbürger ein Touristen-Visum, um nach Deutschland einzureisen. Deutschland-Reisen sind seitdem für Türken zu einem bürokratischen Hindernislauf geworden. Eine Einreiseerlaubnis kann nur in drei türkischen Großstädten, in Ankara, Istanbul oder Izmir, beantragt werden. Für die meisten Türken bedeutet das eine lange Anfahrt. Wer den Weg zu den Visumstellen geschafft hat, muss sich anstellen, oft bis zu sechs Stunden. Viele Papiere, wie Arbeitserlaubnis und Kontoauszüge, müssen vorgelegt werden. Eine Prozedur, die viele Türken davon abhält, nach Deutschland zu reisen.

Wie wird man deutscher Staatsbürger?

Für die Einbürgerung sollen einige Voraussetzungen erfüllt werden:

Ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, mindestens acht Jahre Aufenthalt in Deutschland, die Fähigkeit für seinen Unterhalt alleine und ohne staatliche Unterstützung (Arbeitslosengeld, Hartz IV Gelder, etc.) aufkommen zu können, ausreichende Deutschkenntnisse, keine Vorstrafen und ein Bekenntnis zur deutschen, demokratischen Grundordnung. Der Antrag kostet derzeit 225 Euro.

Mit einem Einbürgerungstest werden die Kenntnisse über die deutsche Geschichte, Sprache, Kultur und Staatswesen überprüft. Je nach Ursprungsland und persönlichen Umständen kann die Einbürgerung bis zu zweieinhalb Jahre dauern.

Nach dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht soll das Entstehen von Mehrstaatigkeit vermieden werden. Daher muss ein Antragsteller aus einem Nicht EU-Land, seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel, wenn das andere Land die Entlassung verweigert, oder der Antragsteller ein anerkannter Flüchtling ist, ist es möglich, bei der Einbürgerung die bisherige ausländische Staatsangehörigkeit beizubehalten.

EU-Bürger dürfen ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten, solange ihr Ursprungsland ebenfalls Mehrstaatigkeit gewährt.

Türkische Deutsche, deutsche Türken

Kebab und Salat (Foto: Colourbox)
Traditionelle türkische Speisen: Kebab und Salat

Heute leben über anderthalb Millionen türkische Staatsbürger in Deutschland. Ihre Zahl aber nimmt stetig ab. Einer der Gründe dafür ist, dass immer mehr Türken, die in Deutschland leben, sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden. Dem Auswärtigen Amt zufolge, gab es im Mai 2008 in der Bundesrepublik Deutschland circa. 700.000 deutsche Staatsbürger türkischer Herkunft. Auch gibt es einen neuen Trend zur „Rückkehr“: immer häufiger entscheiden sich junge, gebildete Türken, die in Deutschland aufgewachsen sind, als Erwachsene, zumindest zeitweise wieder in das Herkunftsland ihrer Eltern zu ziehen.

Die vielen türkischen Mitbürger haben durch ihre Moscheen, Musik, Lebensmittel-, Teppichläden oder mit den zahlreichen Döner-Imbissbuden die Städte und die Kulturlandschaften Deutschlands verändert. Heute sind Oliven, Schafskäse oder gefüllte Weinblätter keine Exoten mehr in deutschen Supermärkten. Viele Künstler, Schriftsteller, Politiker mit türkischem Migrationshintergrund sind bundesweit bekannt. Passend zu dieser Veränderung hat Deutschland sich endlich als eine multikulturelle Gesellschaft wahrgenommen.

Feigen (Foto: colourbox)
Türkische Feigen sind besonders süß. Bild in Detailansicht öffnen
Lokum, eine traditionelle türkische Süßigkeit (Foto: colourbox)
Lokum, eine traditionelle türkische Süßigkeit, wird häufig zum Kaffee angeboten. Bild in Detailansicht öffnen

Das Opferfest

Eine Familie beim Festessen (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Eine Familie beim Festessen, am Tage des Opferfestes. Bild in Detailansicht öffnen
Ornamentik in Moschee (Foto: colourbox)
Das Opferfest beginnt mit dem Besuch der Moschee. Bild in Detailansicht öffnen

Das Opferfest, Kurban Bayramı, wird als das höchste muslimische Fest in der gesamten islamischen Welt, auch in der Türkei, mit unterschiedlich festgelegten Ritualen gefeiert. Beim Opferfest wird an den Propheten Ibrahim (Abraham) gedacht, der nach islamischer Überlieferung die göttliche Probe bestanden hatte und bereit war, seinen Sohn Ismael Allah zu opfern. Als Allah seine Bereitschaft erkannte, gebot er ihm Einhalt. Daraufhin opferten Ibrahim und sein Sohn voller Dankbarkeit einen Widder und teilten das Fleisch mit Freunden und Bedürftigen. Diese Geschichte wird im Koran in Sure 37, 99-113 erzählt. Das Opferfest findet kurz vor Ramadan (Fastenzeit nach dem islamischen Kalender) statt. Die Muslime sollen in der Zeit des Festes Demut und Großzügigkeit üben. Streitigkeiten sollen beendet werden. Das Fest dauert drei bis vier Tage.

Auch in Deutschland feiern muslimische Gläubige das Opferfest. Dazu können sich die muslimischen Schüler am ersten Tag bundesweit vom Unterricht befreien lassen. Die Schlachtung eines Opfertieres wird bei dem Amtstierarzt zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung angemeldet. Viele türkische Familien nehmen in dieser Zeit Urlaub, um das Fest mit ihrer Großfamilie im Heimatort zu feiern.

Wie feiert man das Opferfest in der Türkei?

Öffentlicher Opferplatz in ŞeyhMusa (Foto: Beyer / Arslan)
Öffentlicher Opferplatz in ŞeyhMusa im Südosten von Anatolien. Bild in Detailansicht öffnen
Der Sohn bedankt sich bei seinem Vater mit dem traditionellen Kuss der Hand. (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Zu Bayram bekommen die Kinder Geschenke und bedanken sich mit dem traditionellen Handkuss bei den Älteren. Bild in Detailansicht öffnen

Alle gläubigen Muslime fühlen sich verpflichtet, sofern sie es sich finanziell leisten können, zur Feier des Festes ein Tier zu opfern. Am ersten Tag des Fests, nach dem Sonnenaufgang, findet das festliche Gebet statt, dazu besuchen die Männer der Familie die Moschee. Auch die Toten der Familie werden nicht vergessen. Meistens wird nach der Moschee auch der Friedhof besucht, um der Verstorbenen zu gedenken.

In der Regel wird das Tier nach dem Moscheebesuch am ersten Tag geopfert. Die Schlachtung und die Verteilung der Opfergabe wird nach bestimmten religiösen Regeln durchgeführt. Das Fleisch wird mindestens zu einem Drittel an Arme und Bedürftige verteilt. Den Rest bekommen Verwandte, Nachbarn und der Opfernde selbst. In der Türkei sammelt außerdem Kizilay – Roter Halbmond (das türkische Pendant zum Roten Kreuz) die Häute der Tiere als Spende.

Am ersten Tag des Festes machen sich alle Familienmitglieder fein, um sich bei den Ältesten der Familie zu treffen. Die Kinder küssen die Handrücken der Älteren und legen ihre Stirn daran, um ihren Respekt zu signalisieren. Dazu bekommen sie ein festliches Taschengeld, bayram harçlığı, meistens versteckt in einem schönen Taschentuch. Die weiteren Tage des Festes besuchen alle Verwandte und Nachbarn sich gegenzeitig, die Frauen kochen zusammen die Mahlzeiten aus dem Opferfleisch. Während des gesamten Bayramfestes werden die Köstlichkeiten gemeinsam gegessen oder den Gästen angeboten.

Mittlerweile haben sich in den Großstädten und auf dem Land unterschiedliche Feierrituale entwickelt. Während auf dem Land noch sehr traditionell alle Festtage mit den Familien und Freunden verbracht werden, nutzen in den Städten viele Familien die Möglichkeit für einen kurzen Urlaub. Auch die Schlachtung des Opfertieres hat sich in den Städten modernisiert und findet meist nicht mehr im eigenen Garten, sondern auf Schlachthöfen, abseits der Wohngebiete statt.

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Banu Beyer