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Das menschliche Ohr ist prinzipiell in gleicher Weise gebaut wie das aller Säugetiere. Typisch für Säugetiere ist das Vorhandensein eines äußeren Ohres in Form der Ohrmuschel, die umgangssprachlich ja als das eigentliche "Ohr" bezeichnet wird.
Die Säugetiere haben bei der Empfindlichkeit ihrer Ohren ein außergewöhnliches Niveau erreicht. Im Laufe der Stammesgeschichte der Wirbeltiere hat sich der Schwerpunkt in der Funktion der Ohren mehr und mehr in Richtung der Schallwahrnehmung verlagert. Ursprünglich diente das (Innen-)Ohr nur zur Feststellung der Lage im Raum und der Wahrnehmung von Drehbewegungen, eine Aufgabe, die es auch heute noch ausfüllt. Das Leben an Land ermöglichte, Schallwellen auch zur Wahrnehmung von Signalen aus großen Entfernungen zu nutzen. Diese neue Funktion erforderte jedoch eine Anpassung des Innenohres, die Entwicklung eines Mittelohres und später eines äußeren Ohres. Dabei griff die Evolution auf vorhandene Teile zurück und baute diese in die Ohrmechanik ein. So sind Elemente beispielsweise des ursprünglichen Kiefergelenks der niederen Wirbeltiere bei Säugetieren im Mittelohr zu finden, wo sie als Gehörknöchelchen eine ganz neue Funktion ausüben. Die Säugetiere besitzen daher ein neues Kiefergelenk, das sich aus anderen Teilen des Schädels neu gebildet hat.
Das menschliche Ohr gliedert sich in drei Teile. Von außen sichtbar ist vor allem die Ohrmuschel, die der Bündelung der Schallwellen dient. Die Schallwellen gelangen über den Gehörgang zum Trommelfell, einer dünnen Membran, die von den Wellen in Schwingung versetzt wird. Alle bisher genannten Anteile bilden das äußere Ohr.
Der Aufbau des menschlichen Ohrs
Nach innen schließt sich das luftgefüllte Mittelohr an, in dessen Höhle sich die drei Gehörknöchelchen befinden. Das Trommelfell ist mit dem so genannten Hammer verbunden, der den Schall über den Amboss an den Steigbügel weiterlenkt. Der Steigbügel sitzt dem ovalen Fenster auf, einer kleinen membranüberspannten Öffnung in der knöchernen Ohrkapsel.
Zwischen dem Rachenraum und dem Mittelohr existiert eine offene Verbindung. Über diese "Eustachische Röhre" erfolgt gegebenenfalls ein Druckausgleich zwischen Mittelohr und Außenwelt. Mit Hilfe dieses Gangs verschaffen wir uns im Flugzeug durch Schlucken oder Gähnen Erleichterung, wenn bei Start und Landung der Druck auf den Ohren anwächst.
Alle Anteile des Innenohres sind von einer knöchernen Ohrkapsel umgeben und somit sehr gut geschützt.
Die Grafik zeigt die Gehörsinnesorgane bei Fisch, Frosch, Vogel und Säugern
Das Innenohr besteht aus den drei Bogengängen, den Vorhofsäckchen und der Schnecke. Die auch als Labyrinth bezeichneten Bogengänge sind halbkreisförmige Schläuche, die in den drei Ebenen des Raumes angeordnet sind. Jeder Bogengang enthält eine so genannte Ampulle, eine Verdickung in der Wand des Bogengangs, deren Boden mit Haarsinneszellen besetzt ist. Eine gallertige Hülle umgibt die Sinneshaare dieser Zellen. Bewegen wir unseren Kopf, bleibt die zähe Flüssigkeit (Ohrlymphe) in den Bogengängen aufgrund ihrer Trägheit zunächst zurück, während sich die gallertigen Hüllen der Ampullen mit dem Bogengang mitbewegen. Somit drückt die zurückbleibende Ohrlymphe auf die gallertigen Hüllen und löst in den Haarsinneszellen einen Reiz aus.
Weil wir für jede Ebene des dreidimensionalen Raumes einen Bogengang besitzen, können wir somit Drehbewegungen in allen Richtungen wahrnehmen.
Die unterhalb der Bogengänge liegenden zwei Vorhofsäckchen enthalten ebenfalls Felder mit Haarsinneszellen, deren Sinneshaare gallertig umhüllt sind. In diese Gallerte sind zahlreiche kleine Kalkkristalle eingebettet. Bewegen wir unseren Kopf, werden diese Kristalle von der Schwerkraft nach unten gezogen.
Gleichgewichtsorgane des Menschen
Je nach unserer Kopfhaltung wird dabei die Gallerte und mit ihr die Sinneshärchen unterschiedlich stark abgebogen. Die beiden Sinnesfelder in den Vorhofsäckchen sind nahezu senkrecht zueinander angeordnet, so dass unser Gehirn aus den Informationen beider Felder unsere Lage im Raum (genauer: die Lage unseres Kopfes im Raum) errechnen kann.
Für das eigentliche Hören im Innenohr ist die Schnecke zuständig, in der die Umwandlung von mechanischen Reizen in elektrische Signale stattfindet.
Die Schnecke kann man sich als langen Schlauch vorstellen, der aufgrund seiner Länge aufgerollt in der Ohrkapsel liegt.
Die Schnecke des menschlichen Innenohrs sieht tatsächlich aus wie das Gehäuse einer Meeresschnecke und nicht wie eine zweidimensionale Spirale.
Dieser Schlauch ist in drei Kammern unterteilt. Die beiden größeren, Vorhofgang und Paukengang, sind an der Spitze der Schnecke miteinander verbunden.
Die drei verschiedenen Kammern im Schlauch der Schnecke
Beide werden seitlich bis zur Schneckenspitze von dem kleineren Schneckengang begleitet, in dem sich das eigentliche Hörorgan befindet. Alle diese Gänge sind von Ohrlymphe erfüllt.
Wenn Schallwellen auf das Trommelfell treffen, werden die Schwingungen des Trommelfells über die drei Gehörknöchelchen auf das Innenohr übertragen. Das innerste dieser Knöchelchen, der Steigbügel, versetzt über das ovale Fenster in der Ohrkapsel die Flüssigkeit im Vorhofgang in Schwingung. Weil der Durchmesser des Trommelfells viel größer als der des ovalen Fensters ist, kommt es hier bereits zu einer Verstärkung der Schwingungen. Durch die offene Verbindung an der Schneckenspitze laufen die Schwingungen weiter zum Paukengang, an dessen Ende sie schließlich auf das runde Fenster treffen. Diese membranüberspannte Öffnung zum Mittelohr dient dem Druckausgleich.
Eine raffinierte Mechanik verstärkt den Schall und übermittelt ihn ans Innenohr
Für das Hörvermögen entscheidend sind vor allem die Ereignisse im Schneckengang, obwohl dieser zunächst durch die Vorgänge im Mittelohr gar nicht direkt beeinflusst wird. Am Boden des Schneckengangs ziehen Reihen von Haarsinneszellen bis zur Spitze der Schnecke. Die Haarsinneszellen enden nicht frei in den Schneckengang, sondern sind mit einer überdachenden Membran, der Deckmembran, verbunden.
Diese Deckmembran wird durch die Wellenausbreitung im benachbarten Vorhof- und Paukengang ebenfalls in Schwingung versetzt und überträgt diese Bewegung auf die Haarsinneszellen.
Die Sinneszellen antworten auf diese Bewegung mit einem Nervenreiz, der in Richtung Gehirn weitergeleitet wird. Genau an dieser Stelle erfolgt also die Umwandlung der durch die Schallwellen ausgelösten mechanischen Schwingungen in elektrische Nervenimpulse.
Die Gesamtheit der Haarsinneszellreihen im Schneckengang wird beim Säugetier (also auch beim Menschen) als Cortisches Organ bezeichnet. Bei den übrigen Landwirbeltieren existiert dieses Organ in abgewandelter Form ebenfalls und wird dort Basilarpapille genannt.
Die einzelnen Nervenreize des Cortischen Organs werden über den Hörnerv zu den Hörzentren des Gehirns weitergeleitet und dort zu Hörempfindungen verarbeitet.
© Text: Dr. Peter Bernstein