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In der gleißenden Mittagshitze herrscht allgemeine Trägheit. Wenn die Sonne fast senkrecht auf die Erde brennt, ziehen sich die meisten Tiere in den Schatten zurück und dösen. Nur allerlei Insekten sind aktiv. Der sengenden Hitze trotzen sie mit physikalischen Tricks. Die kleinen Flieger kennen die physikalischen Gesetze der Wärmelehre. Sie beherrschen die Thermodynamik ebenso meisterhaft wie die Gesetze der Schwerkraft.
Kein Wunder, denn für die Flugkunst ist die Körpertemperatur sehr wichtig. Ist es draußen kühl, dann sind auch die Flugmuskeln der Insekten kalt. Die chemischen Reaktionen, die die Muskelkraft erzeugen, verlaufen sehr langsam. Die Tiere müssen sich zum Fliegen erst warm zittern oder bleiben träge am Boden. Je wärmer es ist, desto schneller reagiert die Muskelchemie. Doch der Natur sind Grenzen gesetzt. Bei einer Körpertemperatur zwischen 40 und 45 Grad Celsius nimmt die Muskelkraft rapide ab. Die Tiere können nicht mehr fliegen und müssen sich dringend abkühlen.
Damit ähneln die Insekten dem Menschen. Steigt bei uns das Fieberthermometer auf 41 Grad Celsius, wird es kritisch. Bei 42 Grad Celsius kommt es zum Hitzeschlag, ein Grad mehr führt zum Tod. Ursache ist die Zerstörung lebenswichtiger Eiweiße. Der menschliche Körper kann seine Temperatur aktiv regulieren, etwa über Schwitzen. Insekten können dies nicht. Zur Abkühlung greifen sie im Hochsommer deshalb in die Trickkiste der Thermodynamik.
Der Sandlaufkäfer setzt in der Mittagshitze auf eine Isolierschicht aus Luft. Auf langen dürren Beinen flitzt der Käfer über heißen, sandigen Boden. Seine braunen Flügeldecken schillern im Licht der Sonne. Die hellen Zackenbinden auf dem Rücken verraten dem Fachmann: Hier krabbelt Cicindela hybrida, ein kleiner Geselle mit heißen Füßchen, aber kühlem Bauch.
Der Laufkäfer muss sich vor dem glühend heißen Sandboden schützen. Der Boden nimmt schließlich die Wärmestrahlung der Sonne auf. Besonders Sandboden erhitzt sich dabei stark: Die winzigen Steinchen leiten die Wärme nur schlecht ins Erdinnere ab. Zudem fehlt eine Grasdecke, die den Boden durch verdunstende Feuchtigkeit kühlen könnte. Hätte der Sandlaufkäfer also Stummelbeinchen, so wie etwa ein Marienkäfer, so würde der heiße Sand seinen Bauch verbrennen. Glücklicherweise aber hat der Laufkäfer lange Spinnenbeine. So liegt ein Luftkissen zwischen dem heißen Boden und seinem Bauch.
Die Luft ist ein optimaler Isolator, da sie die Bodenhitze nur sehr schlecht leitet. Auch erhitzt sich Luft nicht so schnell wie der Erdboden. Luft besteht nur aus einigen wenigen Gasteilchen und kann deshalb nur wenig Wärmestrahlung der Sonne aufnehmen. Im dichten Boden hingegen gibt es viel mehr Teilchen, die die Wärme speichern und an tief liegende Käferbäuche wieder abgeben. Nur der Sandläufer kann mit seinem Luftkissen auch in der Mittagshitze am Boden nach Ameisen jagen. Und bei Gefahr einfach in die kühleren Lüfte abheben.
Der "Gemeine Bläuling" macht sich im heißen Sommer die Reflexion zunutze: Er schickt die brennenden Sonnenstrahlen einfach wieder zurück. Von Mai bis September fliegen die blau schillernden Männchen durch die Blumenwiesen, machen Halt an Klee und Ginster und sind dabei auf Brautschau. Den braunen Weibchen gefällt das blaue Kleid der Freier. Zu dumm wäre es, wenn die Männchen in der Mittagshitze die Flügel zuklappen und die Balz beenden müssten.
Doch dank einer besonderen Flügelstruktur können die Männchen ihre blauen Flügel auch an heißen Sommertagen offen tragen. Eine Spezialoberfläche reflektiert die Sonnenstrahlen. Sie weist die Energie ab, so dass sich die Flügel nicht so schnell aufheizen. Beim Stichwort Reflexion denkt man meist an glatte Spiegelflächen. Doch der Bläuling hat eine andere Technik parat: Unter dem Mikroskop sind kleine, dachziegelartige Schuppen mit gitterförmigem Muster erkennbar. Physiker nennen solche regelmäßigen Strukturen "photonische Kristalle". Diese reflektieren das Licht nicht vollständig, sondern sortieren es: Rotes Licht wird geschluckt, blaues Licht und UV-Licht wird zurückgespiegelt. Die Teilreflexion erklärt, warum der Schmetterling in der Morgensonne warm wird, in der Mittagshitze aber nicht verbrennt. Die Farbsortierung bewirkt, dass der Bläuling blau ist.
Solche Flügel mit Überhitzungsschutz sind jedoch nicht für jeden Bläuling geeignet. Falter, die in kühleren Bergregionen wohnen, benötigen jeden einzelnen Sonnenstrahl, um sich aufzuwärmen. Die Männchen dort tragen deshalb wie die Weibchen braun.
Hummeln beherrschen das Prinzip Wärmeaustausch. Die pummelig wirkenden Insekten bevorzugen eine Körpertemperatur von 30 bis 40 Grad Celsius. Krabbelt die Hummel am kühlen Morgen aus dem Versteck, zittert sie sich warm. Nach dem Start heizt die Flugmuskulatur ihre Brust, den Thorax, weiter auf. Je nach Außentemperatur kann die Hummel dann zwischen zwei verschiedenen Programmen zum Wärmeaustausch wählen.
An kalten Tagen darf nicht zu viel Muskelwärme verloren gehen. Die warme Körperflüssigkeit soll in der Brust bleiben und nicht in den kalten, schlecht isolierten Hinterleib strömen. Die Taille, der Knotenpunkt zwischen Thorax und Hinterleib, kontrolliert den Wärmehaushalt. Hier liegen die Gefäße für ein- und ausströmendes Blut dicht beieinander, so dass das ausströmende Blut seine Wärme teilweise an das einströmende Blut abgibt. So geht wenig Wärme verloren und gleichzeitig wird das einströmende Blut vorgewärmt. Das gleiche Prinzip ist beim Menschen an Armen und Beinen zu beobachten.
Im Hochsommer wäre diese Wärmespeicherung für die Hummel schädlich. Die Hitze würde sich in der Brust stauen, ab 44 Grad Celsius wäre das Insekt flugunfähig. Deshalb wechselt es das Programm: Das Blut strömt an der Taille nun nicht mehr gleichzeitig ein und aus. Infolge einer Verengung kann es nur noch entweder ein- oder ausströmen. So wird das heiße Blut komplett in den Hinterleib gepumpt. Der Flugwind kühlt es dort ab, bevor es in die Brust zurückströmt. Diese Programmwahl ist leicht am pulsierenden Hinterleib zu erkennen.
Wespen haben sich auf die Raumklimatisierung mittels Verdunstungskälte spezialisiert. In ihrem Nest aus Papiermasse halten sie auch im Hochsommer eine Temperatur von 30 Grad Celsius. Während sich Nester in Erdlöchern nur langsam aufheizen, kann die Temperatur unter Dächern oder in Schuppen schnell steigen. Droht es zu heiß und stickig zu werden, schwärmen die gelb-schwarzen Tiere aus. Sie steuern Teiche oder Vogeltränken an und landen am Wasserrand.
Zunächst benetzen die Tiere sich selbst mit Wasser. Der Wasserfilm verdunstet auf ihrem Körper und kühlt sie. Der erfrischende Effekt entsteht, weil die Wasserteilchen ein bisschen Körperwärme mitnehmen, wenn sie als Wasserdampf in die Luft steigen. Diese Verdunstungskälte spüren auch Menschen beim Schwitzen. Physikalisch betrachtet ist dies die Energie, die die Wasserteilchen benötigen, um sich aus dem flüssigen Verband zu lösen.
Die Wespen transportieren nach der Abkühlung Wasser zum Nest. Sie befeuchten die Waben und vibrieren dabei mit den Flügeln. Durch das Fächeln strömt die feuchte Luft hinaus und trockene strömt ein. Die trockene Luft kann die Wasserteilchen leichter aufnehmen. Dies beschleunigt die Verdunstung und steigert den Kühleffekt. Stark feuchte Luft nimmt zwar auch Wasser auf, gleichzeitig kondensieren aber wieder Wassertröpfchen. Dabei gibt das Wasser die Verdunstungsenergie wieder zurück. Energietechnisch betrachtet wäre dies ein Nullsummenspiel. So funktioniert die Klimaanlage der Wespen nur bei guter Durchlüftung tadellos.
© Text: Eva Prost