Lebensräume · Im Fluss | Hintergrund: Auwald

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Autor/in
Silke Harrer

Als Auwald oder Flussaue bezeichnet man ausgedehnte Überflutungsbereiche entlang von Bächen und Flüssen. Die vorkommenden Pflanzenarten werden von regelmäßigen Überschwemmungen und einem hohen Grundwasserstand beeinflusst.

Was lebt in einer Aue?

Auenwald (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Rheinaue

Die Dynamik des fließenden Wassers ist ausschlaggebend für den Charakter der Auwälder. Während den regelmäßigen Überschwemmungen sind die Pflanzen hohem Stress ausgesetzt. Sie könnten wegen Sauerstoffmangels regelrecht „ertrinken", und sie müssen dem Zug und Druck des Wassers standhalten. Daher haben sich die Pflanzen der Auwälder ähnlich wie Pflanzen der Uferzone von Seen und anderen stehenden Gewässern an die Überschwemmungen angepasst. Besonders im Wurzelbereich sieht man diese Anpassungen. In der Aue ist ein so genanntes Herzwurzelsystem für die Pflanzen günstiger als eine Pfahlwurzel, da es mehr Halt bietet und keine Notwendigkeit besteht in tieferen Schichten nach Wasser zu „bohren“. Augehölze besitzen gut durchlüftete Wurzeln und Stämme. Sie enthalten Hohlräume, durch die Luft von oberhalb der Wasserlinie bis zu den von Wasser bedeckten Teilen vordringen kann, um sie mit Sauerstoff zu versorgen. Äste und Zweige sind biegsam und die Blätter schmal, um einen geringeren Wasserwiderstand zu erreichen. Viele Pflanzen der Auen können sich vegetativ vermehren: Bricht ein lebender Zweig ab und wird ans Ufer geschwemmt, sprießen daraus Wurzeln und eine neue kleine Pflanze fängt an zu wachsen. Die Bäume der Auen zeichnen sich außerdem durch ein rasches Wachstum aus, da der Uferbereich von einem natürlichen Fluss ständig verändert wird und günstige Bedingungen schnell genutzt werden müssen.

Zu diesen Veränderungen gehört auch das Aufschütten und Abtragen von Kies- und Sandbänken. Pionierpflanzen besiedeln schnell diesen eigentlich unwirtlichen Lebensraum. Zwischen diesen Pflanzen sammeln sich dann feinste Sedimentteilchen und mit der Zeit lagert sich eine Schicht Oberboden ab, der nun auch von anderen Pflanzen bewachsen werden kann. Zu diesen Pionierpflanzen gehören Weiden und Erlen aber auch Schwarzpappel und Rohrglanzgras.

Ist das Gebiet häufig (100 bis 200 Tage im Jahr), lange und mit viel Wasser überschwemmt und die Strömung zudem schnell, entsteht eine Weichholzaue. Der Name ist darauf zurückzuführen, dass unter diesen besonders feuchten Bedingungen vor allem Weiden und Erlen gedeihen, die ein relativ weiches Holz besitzen. Kommt es seltener zu Überflutungen (weniger als 100 Tage im Jahr) und ist die Fließgeschwindigkeit des Wassers geringer, entwickeln sich Hartholzauen. Diese Bedingungen sind z. B. in größerer Entfernung vom Flussufer gegeben. Daher entstehen Hartholzauen normalerweise nur in großen, breiten Flusstälern. Hier sind die Böden „reifer“ und weniger veränderlich. Typische Hartholzauenarten sind Stieleiche, Esche und Feldahorn - deren hartes Holz namensgebend für diesen Auentyp ist. Zudem wachsen hier oft Weißdorn, Schlehe, Hartriegel und Pfaffenhütchen. Nadelbäume und auch die eher trockene Böden bevorzugende Rotbuche wird man nie in einem Auwald antreffen.

Warum sind Auwälder wichtige Ökosysteme?

Lebensraum - Hochwasserschutz - Erosionsschutz - sauberes Trinkwasser

Ein Auenwald am Flussufer (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Auenwald im Donaudelta

Auen bieten einen großen und abwechslungsreichen Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere. Auengesellschaften zählen zu den artenreichsten und produktivsten Ökosystemen in Mitteleuropa. So sind nur 8 % der Fläche Deutschlands von Auen bedeckt, aber man findet dort über 60 % der heimischen Pflanzenarten. Auch die Tierwelt ist hier besonders reichhaltig: Neben vielen Schmetterlings-, Libellen- und anderen Insektenarten kommen zahlreiche Vogelarten in Auwäldern und Flusslandschaften vor. Dazu gehören u. a. Große Brachvögel, Störche, Kraniche und Eisvögel. Der Biber, der in Deutschland vom Aussterben bedroht ist, ist ein wichtiger Bewohner der Auwälder. Durch seine Bau- und Holzarbeiten entstehen ruhige Wasserzonen für Fische und Insekten. Er fällt einzelne Bäume und schafft so Platz für andere Pflanzen. So entsteht ein Mosaik an Kleinlebensräumen. Auen bieten nicht nur vielen Tieren eine permanente Heimat, sie sind auch wichtige Zwischenaufenthaltsorte für Zugvögel. Sie dienen vorübergehenden „Gästen“ zum Ausruhen, zur Nahrungssuche und z. T. als Brutgebiet.

Auwälder sind natürliche Wasserrückhalteräume. Wenn sich durch starke Regenfälle mehr und mehr Wasser in den Bach- und Flussbetten sammelt, bewegt sich eine Hochwasserwelle flussabwärts. Diese kann sich in Auwäldern und -wiesen ungehindert ausbreiten. Dadurch wird die Strömung reduziert, das Wasser verbleibt einige Zeit auf den Flächen und fließt dann langsam zurück ins Flussbett. So tritt eine Verzögerung ein, die zur Folge hat, dass die Hochwasserspitze kleiner ausfällt und keine geballten Wassermassen flussabwärts rauschen. Der Rückgang dieser natürlichen Überflutungsflächen ist mit dafür verantwortlich, dass Hochwasserkatastrophen zunehmen. Dem soll nun stellenweise durch Renaturierungsmaßnahmen oder Anlagen von Poldern entgegengewirkt werden.

Auf den Aueflächen kommt es zur Wasserreinigung, denn das abfließende Hochwasser lässt viel Schlamm zurück. Die Pflanzen wirken wie ein Filter. Von dieser Filterung profitiert auch das Grundwasser und damit letztlich unser Trinkwasser. Viel Hochwasser versickert in der Aue und wird durch die Schichten des Aueuntergrunds gefiltert, bevor es das Grundwasser erreicht. Werden offene Ackerflächen und Wiesen überschwemmt, reißt das Wasser Boden mit. Das Ufer wird zerstört und fruchtbares Sediment wird flussabwärts getragen. Auwälder sichern jedoch mit ihren Wurzeln den Boden der Fläche und des Uferstreifens und reduzieren so die Erosion des Oberbodens.

Probleme der Auwälder

Auenwald (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Auenwald im Donaudelta

Flussauen und Auwälder galten und gelten als gute Siedlungsräume. Schon in früheren Zeiten, als die Menschen anfingen sich niederzulassen, um Viehzucht zu betreiben, wurden die ersten Orte in der Nähe von Flüssen gebaut. Durch das Roden der Wälder erhielt man große, ebene Flächen für Häuser und Weideland. Anfangs waren die Flächen zu feucht für den Ackerbau und wurden nur als Viehweide genutzt. Doch dann lernte der Mensch Drainagen zu legen und den Boden trocken zu legen. Es entstand fruchtbares Ackerland, da durch die regelmäßigen Überschwemmungen viele Nährstoffe in den Boden eingebracht worden waren. Zudem wurden die Flüsse später zu wichtigen Transportwegen, die direkt vor der Haustür vorbeiliefen. Die Flussläufe wurden immer mehr begradigt und Deiche gebaut. Man wollte die Flüsse ganzjährig schiffbar machen. Dazu musste man auch die Strömungen verringern, indem man Wehre und Schleusen einbaute. Das Wasser konnte sich nun nicht mehr ausbreiten und die Auwälder wurden von ihrem Lebenselixier, dem Wasser, abgeschnitten.

Viele Tier- und Pflanzenarten der Auwälder sind vom Aussterben bedroht. Aber es leiden nicht nur Tiere und Pflanzen unter dem Verschwinden der Auwälder. Der Mensch hat über die Jahre erkannt, dass man Fehler begangen hatte. Kommt es heutzutage zu einem Hochwasser, kann es sich nicht mehr ausbreiten und verteilen. Die Wassermassen schießen in den eingedeichten Wasserwegen dahin, bis sie Platz finden. Oftmals brechen Deiche oder das Wasser läuft schließlich über die Deiche und überschwemmt Städte und Dörfer.

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Silke Harrer