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Krieg der Träume

Versprechen: 1933 - 1935 | Hintergrund

Stand
Autor/in
Dirk Praller

Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht

Paul von Hindenburg (links) und Adolf Hitler (rechts) (Foto: Imago, ZUMA/Keystone)
Reichspräsident Paul von Hindenburg (links) und Adolf Hitler nach dessen Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 Bild in Detailansicht öffnen
Reichstagsbrand (Foto: Imago, ZUMA/Keystone)
Reichstagsbrand, Berlin, 27. Februar 1933 Bild in Detailansicht öffnen

Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler einer Minderheitsregierung ernannt. Auch wenn es im März noch eine letzte Reichstagswahl gibt, an der mehr als eine Partei teilnimmt, ist die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik am Ende. Der Wahlkampf findet bereits unter den Vorzeichen der Diktatur statt. Anhänger der NSDAP terrorisieren Sozialdemokraten und Kommunisten, deren Führer reihenweise inhaftiert werden. Trotz der Repressalien gegen die politischen Gegner verfehlt die NSDAP mit 43,9% der Stimmen die absolute Mehrheit.

Den Auftakt zur Ausschaltung der Opposition markiert der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933. Die Hintergründe der Brandstiftung sind umstritten – war der verurteilte und hingerichtete Holländer Marinus van der Lubbe ein Einzeltäter? Waren es die Kommunisten, wie die Nationalsozialisten behaupteten oder steckten die Nazis selbst dahinter? Unstrittig sind die politischen Folgen. Der Reichstagsbrand spielt den Nationalsozialisten in die Karten: Die am 28. Februar 1933 erlassene Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat setzt die Grundrechte außer Kraft; mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 stimmt der Reichstag gegen die Stimmen der SPD - die KPD-Mandate werden für ungültig erklärt - seiner faktischen Selbstauflösung zu. Die Gesetzgebende Gewalt geht vollständig an Hitler über, die Gleichschaltung bestehender gesellschaftlicher und politischer Institutionen ebnet den Weg in eine, nach dem Führerprinzip organisierte, Diktatur.

Ausschaltung der Opposition

KZ-Gedenkstätte Dachau (Foto: Imago, ZUMA/Keystone)
KZ-Gedenkstätte Dachau, in der Nähe von München

Der erste Schritt auf dem Weg zum totalitären Staat ist die Verfolgung und Verhaftung der politischen Gegner. Wie tausende Sozialdemokraten und Kommunisten wird auch Hans Beimler (*1895) - seit 1932 Politischer Sekretär des Bezirks Südbayern und Reichstags-Abgeordneter der KPD - nach Wochen illegaler Arbeit im April 1933 im neu errichteten Konzentrationslager Dachau interniert, nachdem er zuvor im Münchener Polizeipräsidium gefoltert worden war.

NS-Todeslager Auschwitz (Foto: imago/Eastnews)
NS-Todeslager Auschwitz, 71. Jahrestag der Befreiung 27. Januar 1945

Schon im April 1933 befinden sich über 25.000 Regimegegner in „Schutzhaft“. Dachau, das als Prototyp für die systematische Entwicklung des NS-Lagersystems dient, ist kein Vernichtungslager; von den etwa 200.000 Menschen, die bis zur Befreiung durch die Amerikaner im April 1945 hier inhaftiert sind, sterben dennoch etwa 41.500; politisch motivierte Morde sind an der Tagesordnung. Nach der Pogromnacht inhaftiert die SS auch Juden und andere Verfolgte. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges werden Menschen aus besetzten Gebieten in ganz Europa in Dachau inhaftiert. In Dachau kreuzt sich Beimlers Lebensweg mit dem des Judenhassers Rudolf Höß (*1900). Höß beginnt seine NS-Karriere als Blockführer des KZ; an ihrem Ende wird er Lagerkommandant von Auschwitz sein. Für Höß endet damit das jahrelange Dasein als Landarbeiter und Artamane. Zu diesem, 1926 gegründeten völkischen Siedlungsbund, der eine agrar-romantische Blut-und-Boden-Ideologie vertrat und überzeugt war, dass sich das Schicksal Deutschlands nicht im Westen, sondern im Osten entscheiden würde, gehört auch Heinrich Himmler. 1934 werden die Artamanen in die Hitlerjugend eingegliedert. Auf Initiative von Himmler wird Höß Mitglied der von Hitler 1925 als persönliche Leibgarde gegründeten SS (Schutz-Staffel). Sie ist der Sieger im innerparteilichen Machtkampf mit der SA. Mit der Unterstellung, sie plane einen Putsch, rechtfertigt Hitler die Ermordung der SA-Führung um Ernst Röhm im Juni 1934. Die SS ist nun allein für die Führung aller Konzentrationslager (KZ) verantwortlich; unter Reichsführer SS Heinrich Himmler wird sie zu einem entscheidenden Machtfaktor und einem „Staat im Staate“.

Hans Beimler gelingt im Mai 1933 die Flucht aus dem Lager Dachau. Er findet Unterschlupf bei Gleichgesinnten in Bayern, ehe er sich einige Wochen später nach Prag absetzt. Kurz darauf erscheint mit seiner Broschüre „Im Mörderlager Dachau“ der erste authentische Bericht über die Zustände in einem nationalsozialistischen KZ.

Heinrich Himmler und Rudolf Höss (Foto: imago / Reinhard Schultz)
Heinrich Himmler (rechts), Reichsführer SS und Rudolf Höss (links), Kommandant von Auschwitz, 18. Juli 1942

Innerhalb weniger Jahre festigen die Nationalsozialisten ihre Herrschaft mit äußerster Brutalität und Zielstrebigkeit. Mit dem Tod Hindenburgs im August 1934 ist die innenpolitische Machtkonzentration abgeschlossen. Hitler ist nun „Führer und Reichskanzler“, die NSDAP ist die einzige Partei, die Gewerkschaften sind zerschlagen, die Länderparlamente gleichgeschaltet. Weder die Warnung des Generals a. D. Erich Ludendorff - „Ich prophezeie Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird.“ -, noch die kritischen Äußerungen der zahlreichen Gegner des Regimes fallen machtpolitisch ins Gewicht.
Viele Intellektuelle, Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler müssen ins Ausland emigrieren. Aber auch dort gibt es Anhängerinnen des neuen Regimes.

Unity Mitford

Unity Valkyrie Mitford mit Fritz Stadelmann (Foto: Imago, United Archives International)
Hitler-Verehrerin und britische Faschistin Unity Valkyrie Mitford mit Hitlers Adjutanten Fritz Stadelmann, Berlin 1933 Bild in Detailansicht öffnen
Anhänger der BUF (Foto: Imago, UIG)
Anhänger der BUF - British Union of Fascists (faschistische britische Partei) marschieren durch London unter der Führung von Oswald Mosley (unten rechts), 1936 Bild in Detailansicht öffnen

So findet der erbitterte Machtkampf in Deutschland seinen tragikomischen Widerhall in den Auseinandersetzungen, die sich Unity Mitford (*1914), die Tochter des englischen Barons Redesdale, mit ihrer jüngeren Schwester Jessica liefert. Während Jessica mit den Kommunisten sympathisiert, ist Unity eine Anhängerin der Nationalsozialisten und glühende Verehrerin von Adolf Hitler. Mit ihrer älteren Schwester Diana reist Unity 1935 nach München, um Hitler zu treffen und findet Zugang zu dessen innerem Zirkel. Hitler ist von der jungen Frau begeistert; dazu trägt ihr zweiter Vorname Valkyrie ebenso bei wie der Umstand, dass Mitfords Großvater ein Freund Richard Wagners war und die für Hitler prägenden – antisemitischen und rassistischen - Bücher von Houston Stewart Chamberlain ins Deutsche übersetzte.

Diana heiratet 1936 Oswald Mosley, der sich – nach politischen Anfängen bei den Konservativen und bei Labour – von Mussolini für den Faschismus begeistern lässt; 1932 gründet er die BUF (British Union of Fascists), die zunächst Erfolge feiert, ehe sie Mitte der 1930er Jahre an Zuspruch verliert. Mosley und Diana werden 1936 im Haus von Joseph Goebbels getraut; Hitler ehrt das Brautpaar mit einem Diner in der Reichskanzlei. Als Großbritannien Nazi-Deutschland nach dem Überfall auf Polen am 3. September 1939 den Krieg erklärt, macht sich Mosley für einen Verhandlungsfrieden mit dem Deutschen Reich stark. Im Mai 1940 wird er zusammen mit Ehefrau Diana und anderen aktiven Faschisten interniert, die BUF wird später verboten.
Unity lässt sich in München nieder. Zu zahlreichen privaten Treffen mit Hitler kommen öffentliche Auftritte mit der NS-Elite in Deutschland; in Großbritannien wirbt sie für die NS-Ideologie und für ein Bündnis mit Deutschland; u. a. legt sie für die Wochenschau dar, warum sie als Britin von der nationalsozialistischen Idee überzeugt ist.

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Autor/in
Dirk Praller