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Germanen im Südwesten

Wie ernährten sie sich? | Hintergrund

Stand
Autor/in
Sandra Kampmann

Viele Mythen ranken sich um die germanischen Stämme. Die Römer rümpften oft ihre vornehmen Nasen über ihre Nachbarn jenseits des Limes und hielten den Germanen ihre unzivilisierte Lebensweise vor. So glaubten viele Römer an Klischees: Die starken, blonden Hünen und ihre Familien würden sich hauptsächlich von Fleisch ernähren und mit Vorliebe ausschweifende Trink-Gelage feiern. Nicht ganz unschuldig an diesem „barbarischen“ Germanenbild sind antike Historiker wie Tacitus, der den Germanen unterstellte, sie würden lieber in den Krieg ziehen, als ihre Felder zu bestellen und die Ernte einzufahren. Doch stimmt das? Wie ernährten sich die Germanen wirklich? Antworten finden Archäologen vor allem bei Ausgrabungen germanischer Siedlungsstätten: Essensabfälle wie tierische Knochen, antike Krüge oder menschliche Überreste, die in Mooren oder antiken Gräberfeldern zu finden sind, lassen Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Nahrung der Germanen zu.

Ein Dauerbrenner auf dem Speiseplan: Vegetarischer Eintopf

Eintopf mit Koernern (Foto: Peter Prestel)
Eintöpfe ohne Fleischeinlage dominierten den Speiseplan. Bild in Detailansicht öffnen
Salz (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Salzsieden auf traditionelle Art. Salz war ein sehr kostbares Gut. Bild in Detailansicht öffnen

Nach heutigen Erkenntnissen speisten die Germanen meist einfach, aber überaus gesund: Besonders beliebt waren vegetarische Eintöpfe ohne Fleischeinlage, gewürzt mit frischen Kräutern. In den Siedlungen fanden Archäologen beispielsweise Reste von Sellerie, Kohl, Rüben, Löwenzahn oder Leindotter aus Ölpflanzen. Von den Römern schauten sich die Germanen auch den Gartenanbau ab. Dort wuchsen verschiedenste Kräuter, mit denen wir heute noch unsere Gerichte würzen: Koriander, Majoran, Dill, Petersilie, Bohnenkraut und Hopfen standen schon in der Antike hoch im Kurs. Im Gegensatz zu den Kräutern wurde Salz sehr spärlich verwendet, da es als seltene Kostbarkeit galt. Die natürlichen Solequellen waren bei den Germanenvölkern sehr begehrt und oft Ursache für territoriale Konflikte zwischen den einzelnen Stämmen.

Versierte Ackerbauern

Kornähre (Foto: Peter Prestel)
Die wichtigste Getreidesorte war Gerste Bild in Detailansicht öffnen
Linsentopf (Foto: Peter Prestel)
Hülsenfrüchte gediehen gut und lieferten Proteine. Bild in Detailansicht öffnen

Die landläufige Meinung der Römer, die germanischen Völker verstünden nichts vom Ackerbau, gilt heute als widerlegt. Die Germanen betrieben eifrig und gekonnt Ackerbau und achteten auf jährliche Feldwechsel, um die Böden zu schützen und die Erträge zu garantieren. Im Gegensatz zu den Römern waren sie jedoch vor allem eins: Selbstversorger. Sie lebten im Familienverbund und produzierten fast ausschließlich für den Eigenbedarf. Beinahe jede Familie betrieb Ackerbau und Viehzucht - Monokulturen für die Großproduktion, wie die Römer diese auf ihren Latifundien anlegten, waren ihnen fremd. Das wichtigste Getreide, das die Germanen anbauten, war Gerste. Je nach Region sind auch andere Getreidesorten wie Emmer, Roggen, Hirse oder Hafer belegt. Außerdem standen auf dem Speiseplan Hül-senfrüchte wie Linsen und Erbsen. In den Siedlungen fanden Archäologen Fragmente antiker Mahlsteine. Mit dem gemahlenen Getreide buken die Germanen Brot und bereiteten Getreidebrei zu.

Obst, Gemüse und Kräuter lieferten Vitamine

Kohl (Foto: Peter Prestel)
Der alamanische Speisezettel war sehr ausgewogen. Bild in Detailansicht öffnen
Zähne, Mangel (Foto: SWR – Screenshot aus der Sendung)
Mangelerscheinungen lassen sich an Knochenfunden ablesen. Bild in Detailansicht öffnen

Der Historiker Tacitus berichtet, dass die Menschen jenseits des Limes fleißige Sammler waren und reichlich Wildgemüse und wild wachsendes Obst verzehrten. Dazu zählen Ampfer, Wegerich, Bärlauch, Nüsse, Beeren, Äpfel und Steinobst. Obwohl der Speiseplan sehr ausgewogen und vitaminreich war, zeigt die wissenschaftliche Analyse von menschlichen Knochenfunden aus jener Zeit, dass die Germanen oft an Mangelerscheinungen und daraus resultierenden Krankheiten wie Rachitis litten. Offensichtlich gab es insbesondere in der kalten Jahreszeit nicht immer ausreichend vitaminreiche Kost.

Fleisch – vorwiegend eine Delikatesse an Festtagen

Tierknochen (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Gefundene Tierknochen geben Aufschluss über die damaligen Nutztierarten. Bild in Detailansicht öffnen
Schaf (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
In den Siedlungen wurden vor allem Ziegen und Schafe gehalten. Bild in Detailansicht öffnen

Der Verzehr von Fleisch war keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Tiere waren kostbar und wurden vor allem als Milch- und Wolllieferant genutzt. Milchprodukte wie Käse waren zwar durch die Römer bekannt, wurden jedoch selten hergestellt. Der römische Naturkundler Plinius der Ältere bemerkte in diesem Kontext etwas abfällig, dass „aus Kuh- und Schafsmilch gewonnene Butter die feinste Speise barbarischer Völkerschaften sei“ - von schmackhaften Käsesorten ganz zu schweigen. Knochenfunde zeigen, dass auf dem Speiseplan vor allem Nutztiere standen, Wild wurde eher selten verzehrt, in den nördlichen Regionen lebten einige Germanen-Stämme auch vom Fischfang. Unter den Nutztieren führten vor allem Rinder, Schweine, Ziegen, Geflügel und Schafe die Beliebtheitsskala an, wobei die Rinder als der wertvollste Besitz galten. Sie wurden hauptsächlich zur Milchgewinnung gehalten. Woher man das weiß? Archäologen fanden verhältnismäßig mehr Knochenreste von Kühen als von Ochsen oder Bullen. Das wichtigste Nutztier war jedoch vermutlich das Schaf, da es Wolle, Milch und Fleisch lieferte. Letzteres wurde an Festtagen ausgiebig genossen und bereicherte den sonst sehr von Gemüse dominierten Speiseplan.

Bierbraukunst

Funde von Trinkgefäßen und Krügen zeigen, dass die Germanen den römischen Wein zwar zu schätzen wussten, jedoch ein anderes Getränk bevorzugten. In einem Fürstengrab bei Trossingen auf der Schwäbischen Alb fanden Archäologen eine aufwendig gedrechselte Holzflasche mit Resten gehopften Bieres! Das war eine Sensation, da viele Altertumsforscher davon ausgingen, dass die Germanen, beziehungsweise der Stamm der in Südwestdeutschland ansässigen Alemannen, zu Cäsars Zeiten noch kein Bier und schon gar keines mit Hopfen kannten. Vielmehr sei ihr Hauptgetränk Milch oder Honigwein aus Getreide gewesen, notierten römische Zeitzeugen. Möglicherweise erfreute sich das Bier deshalb schnell großer Beliebtheit, da es aus einem Nebenprodukt beim Backen entsteht. Ganz vereinfacht: Wenn feuchtes Getreide keimt, bildet sich Malz, die Grundlage des Bieres. Nach dem Maischvorgang wird Hopfen zugeführt, um das Bier haltbar zu machen. Das alemannische Bier weist jedoch eine Besonderheit auf, die es von unserem Bier heute unterscheidet: Es schmeckt süßer, da es zusätzlich mit Honig gewürzt wurde.

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