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Das Barock-Experiment

Staatsdiener | Hintergrund

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Im Schwarzwald finden Archäologen immer noch die Spuren von Schanzanlagen, die der Markgraf von Baden, der sogenannte „Türkenlouis“, im frühen 18. Jahrhundert gegen die Bedrohung durch die Franzosen hat anlegen lassen. In Gersbach wurde so eine Schanze rekonstruiert. Durch ein Experiment wollen wir feststellen, wie so eine Anlage gebaut und dann verteidigt wurde? Bestes Hilfsmittel ist ein kleines Büchlein aus der Zeit um 1700, das den Soldaten damals die Schanzarbeiten vereinfachen sollte. Mit diesem Büchlein versuchen Schanzen-Experten des Geschichtsvereins Gersbach mit tatkräftiger Unterstützung der Jugendfeuerwehr des Orts das ganze Verteidigungskonzept von damals nachzubauen.

Am wichtigsten waren dabei die sogenannte „Annäherungshindernisse“ vor der eigentlichen Schanze: Abschüssiges Terrain mit Grassoden belegt war für heranstürmende Militärstiefel sehr rutschig. Verhau und Verhack, also gefällte Bäume und darin aufgezogene Dornensträucher, erschwerten das Vordringen zudem. In einem Schmiedeversuch produzieren wir sogenannte „Krähenfüße“, das sind eiserne Stechfallen für Mensch- und Tierfüsse. Wer das alles überstanden hat, rannte dann ungeschützt auf die Kanonen- und Musketen-Stellungen an, die in einem geometrisch ausgeklügelten Wallsystem aufgestellt waren.

Schanzanlage (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Barocke Schanzanlage im Schwarzwald

Wer baute im Barock diese Stellungen? Oft waren es junge Burschen der armen Landbevölkerung, die sich für die Armeen der Fürsten anwerben ließen. Aus erhaltenen Originalunterlagen rekonstruieren wir die soldatische Karriere des Georg Flohr. Flohr kann lesen und schreiben, das hat er wahrscheinlich beim Militär gelernt, diesem Umstand verdanken wir seinen Lebensbericht. Bildung und Wissenschaft machen in der Barock-Zeit große Fortschritte: Die Schulpflicht wird vielerorts eingeführt. Bildung wird als wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes Staatswesen erkannt und deshalb gefördert! Neben dem Militär entsteht ein funktionierendes Verwaltungsbeamtentum, das Nichtadeligen Aufstiegschancen bietet.

Dr. Bertram Jenisch vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg beschäftigt sich neben den Verteidigungsanlagen des „Türkenlouis“ auch mit den Bauten der französischen Gegner. Dort hat ein Genie die wohl perfektesten Verteidigungsanlagen der Geschichte erdacht und gebaut: Marquis de Vauban. Gegenüber der alten Feste Breisach hat er auf linksrheinischem Gebiet Neuf-Brisach aus dem Boden gestampft. Die barocke Militärstadt ist UNESCO Weltkulturerbe und gilt als eines seiner Meisterwerke. Die Stadt wurde nie erobert, die Erdschanzen im Hochschwarzwald bei Gersbach übrigens auch nicht.

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Fürstenherrlichkeit

Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. war mit eindrucksvollem Beispiel vorangegangen und hatte sich in Versailles ein prachtvolles Schloss bauen lassen. Es sollte seinen absoluten Herrschaftsanspruch weithin sichtbar manifestieren. Die barocken Herrscher östlich des Rheins wollten ihm da nicht nachstehen und so bauten auch sie neue Residenzen im neuen Stil. Und das nicht zu knapp: So gab es zum Beispiel allein im Südwesten Deutschlands 250 selbstständige Territorien – Fürsten-, Herzogtümer und Grafschaften –, in denen das Barock seine Spuren hinterließ. Das Barock war auch eine Zeit des Aufbruchs nach den langen dunklen Jahren des verheerenden Dreißigjährigen Krieges. 1715 ließ der Markgraf Karl-Wilhelm von Baden-Durlach den Grundstein für seine neue Residenz legen: Karlsruhe – ein prächtiges Schloss und eine neue Stadt, deren Straßen sich wie ein Fächer vom Schloss aus entspannten. Der Film gibt Einblicke in die barocke Stadtplanung, Architektur und Ingenieurskunst und geht dem barocken Ideal der „dressierten“ Natur nach. In Rekonstruktionen und Spielszenen vermittelt er auch das besondere Lebensgefühl an den absolutistischen Höfen.
Bei einem Experiment kommen wir dem Geheimnis des Stuckmarmors auf die Spur: Mit diesem „Scheinmarmor“ wollten Barockbaumeister die Natur nachempfinden, aber auch nach ihrem Geschmack „gestalten“.

Das Barock-Experiment SWR Fernsehen

Himmelsbühnen für die Kirchen

„Den Himmel in die Kirche holen“ – so die Aufgabe, der sich Baumeister, Handwerker und Maler im Barock mit Ideenreichtum und großer Kunstfertigkeit hingaben. Aber wie gelangt das Licht des Himmels in die Kirche? Oder zumindest die Illusion davon? Diese Frage beantwortet der Film unter anderem in einem Experiment: Die Straßenmalerinnen Vanessa und Lydia Hitzfeld nutzen die im Barock so beliebte optische Täuschung („trompe l’œil“) für ihre Street-Art und zeigen, nach welchen Prinzipien sie funktioniert. Auf dem Vorplatz des barocken Klosters Bad Schussenried stellen sie sich ihrer Aufgabe: Sie sollen die fiktive Unterwelt des Klosters auf das Pflaster malen.
Die Kirchen und Klöster an der Oberschwäbischen Barockstraße – wie das Kloster Bad Schussenried – sind Inbegriff der Gegenreformation. Ganz bewusst setzten die Baumeister und ihre katholischen Auftraggeber auf Prunk und Reichtum im Kirchenraum – als Antithese zum Puritanismus der Reformatoren. Die prächtige Architektur mit ihren vielfältigen optischen Tricks sollte auch dazu beitragen, die Gläubigen in der katholischen Kirche zu halten oder Skeptiker zurückzugewinnen. Auch deshalb zeigten sich Bischöfe und kirchliche Würdenträger als spendable Mäzene der barocken Baukunst.

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planet schule