2: Infektionskrankheiten

2.5 Malaria - Einzeller als Verwandlungskünstler

Anophelesmücke ©eye of science
Anophelesmücke

Nach Schätzungen der WHO (World Health Organization) erkranken jedes Jahr 300 bis 500 Millionen Menschen an Malaria. Mehr als eine Million sterben an den Folgen der Infektion. Die Malaria ist in vielen tropischen und subtropischen Ländern verbreitet (siehe Erreger weltweit).



Plasmodien zerstören Blutzellen
Plasmodien zerstören Blutzellen

Malaria wird von einzelligen Parasiten (Plasmodien) ausgelöst. Sie gelangen durch den Stich einer weiblichen Anophelesmücke in die Blutbahn. Man unterscheidet vier Arten von Malariaerregern. Der gefährlichste ist Plasmodium falciparum, der die Malaria tropica verursacht. Sie ist für die meisten Malariatoten verantwortlich. Davon sind vor allem die Länder Schwarzafrikas betroffen. Zu den Folgen einer Infektion zählen heftige Fieberattacken, Blutarmut und schwere Organschäden.



Malaria in Deutschland. In Südwestdeutschland gab es im heißen Sommer des Jahres 1945 eine Malariaepidemie. Die Parasiten waren von Soldaten aus den Tropen eingeschleppt worden. Stehendes Wasser in den Rheinauen und Bombentrichtern bot damals beste Vermehrungsbedingungen für die Anophelesmücke. Einige Arten sind auch bei uns heimisch. Selbst heute gibt es in Deutschland vereinzelte Malariafälle, vorwiegend im Umfeld von Flughäfen. Man spricht deshalb auch von Flughafen-Malaria. Die Plasmodien kommen mit infizierten Reisenden hierher und werden durch heimische Anophelesmücken verbreitet.


Mangelhafter Schutz durch das Immunsystem

Nur wer lange genug in einem Malariagebiet lebt und regelmäßig Infektionen mit dem dort heimischen Parasiten ausgesetzt ist, kann einen gewissen Schutz gegen den Erreger aufbauen. Man spricht von einer Semi-Immunität. Sie bewirkt, dass die körpereigene Abwehr die Plasmodien einigermaßen in Schach hält. Zwar wird der Infizierte die Parasiten nie ganz los und kann immer wieder erkranken, aber die Malaria verläuft dann milder.


Sichelzellen ©eye of science

Sichelzellenanämie schützt vor Malaria. Diese Erbkrankheit tritt vermehrt in Ländern auf, in denen die Infektionsrate mit Malariaparasiten besonders hoch ist. Bei der Sichelzellenanämie bewirkt ein genetischer Defekt, dass der Blutfarbstoff Hämoglobin den Sauerstoff wesentlich schlechter bindet und sich die roten Blutkörperchen schneller abbauen. Wird z. B. durch körperliche Anstrengung dem defekten Hämoglobin viel Sauerstoff entzogen, klumpt es zusammen und verformt die Blutzellen zu Sicheln. In dem sauerstoffarmen Milieu können sich die Plasmodien schlecht entwickeln und gehen schließlich mitsamt den Sichelzellen zugrunde. Träger des Sichelzellen-Gens sind deshalb vor schweren Formen der Malaria weitgehend geschützt. Dafür leiden sie aber zeitlebens unter einer milden Form der Blutarmut.


Wer allerdings zu selten mit Malariaparasiten in Kontakt kommt und keine ausreichenden Abwehrkräfte aufbauen konnte, ist hochgradig gefährdet. Deshalb sind unter den Malariatoten Schwarzafrikas so viele Kinder unter fünf Jahren. Auch Reisende erwerben bei kurzen Aufenthalten in Malariagebieten keinerlei Abwehrkräfte gegen Plasmodien. Da es bisher keinen wirksamen Impfstoff gegen Malaria gibt, helfen nur entsprechende Medikamente, die die Parasiten abtöten. Aber auch das ist nicht in jedem Fall gewährleistet, denn es gibt einige resistente Plasmodienstämme, bei denen Antimalariamittel nicht mehr wirken.


Der Lebenszyklus von Malariaparasiten (Plasmodien)

Malariaerreger haben eine äußerst ungewöhnliche Lebensweise. In der Malariamücke vermehren sich die Parasiten geschlechtlich, im Menschen ungeschlechtlich. Dabei machen die Plasmodien eine Reihe von Entwicklungsstadien durch, bei denen sie jeweils ihre Gestalt ändern. Deshalb gelten Malariaparasiten als besonders trickreiche Verwandlungskünstler.


Der Malaria-Zyklus ©SWR
Malaria-Zyklus starten
  • Sticht eine Malariamücke einen Menschen, gelangen über den Speichel der Mücke Plasmodien ins Blut. In diesem Stadium werden die Parasiten als Sporozoiten bezeichnet.
  • Es dauert nur 30-60 Minuten, bis die Sporozoiten Leberzellen infizieren. Dort findet eine radikale Verwandlung statt. Aus einem Sporozoiten bilden sich Tausende von Merozoiten. Nach ein bis zwei Wochen platzt die Leberzelle und schwemmt die Merozoiten ins Blut. Sporozoiten können aber auch in einer Art Schlafzustand in der Leber überdauern und noch nach Jahren Malariaanfälle auslösen.
  • Die Merozoiten dringen in rote Blutzellen ein und teilen sich dort, bis die roten Blutzellen platzen. Dabei werden etwa zwanzig Merozoiten frei, und befallen neue Blutzellen. Dieser Wachstums- und Vemehrungsvorgang wiederholt sich mehrfach, meist alle zwei bis drei Tage.
  • Ein Teil der Merozoiten verwandelt sich in weibliche bzw. männliche Gametozyten (Vorläuferstadien von Keimzellen). Nimmt eine Mücke bei einer Blutmahlzeit solche Gametozyten auf, infiziert sie sich. Die Parasiten durchlaufen nun mehrere geschlechtliche Entwicklungs- und Vermehrungsschritte. Innerhalb einer Woche entstehen wieder Sporozoiten, mit denen die Anophelesmücke weitere Menschen infizieren kann.


Typische Malariasymptome in der Vermehrungsphase sind Fieber und Schüttelfrost. Die Zerstörung roter Blutzellen (Erythrozyten), die ja für den lebenswichtigen Sauerstofftransport sorgen, führt dazu, dass Organe schlecht durchblutet werden. Im Extremfall kommt es zu komplettem Organversagen.


Immunabwehr bei Malaria

Malariaparasiten stellen mit ihren Verwandlungstricks die menschliche Immunabwehr auf eine harte Probe. Die wirksamste Abwehrstrategie besteht darin, die frei im Blutstrom schwimmenden Parasitenstadien (Sporozoiten, Merozoiten, Gametozyten) mithilfe von Antikörpern abzufangen. Allerdings muss die Abwehr einen Mehrfrontenkampf führen, denn die drei Parasitenstadien haben unterschiedliche Hüllen und ändern außerdem immer wieder ihre Oberflächenstrukturen (Antigene). Viele der gebildeten Antikörper bleiben daher wirkungslos, weil sie nicht die passenden Angriffsziele (Antigene) finden.


Vermehrung der Sporozoiten ©SWR
Vermehrung der Sporozoiten

Eine wirksame Immunantwort wird auch dadurch erschwert, dass sich die Parasiten die meiste Zeit im Innern von Körperzellen aufhalten. Sporozoiten vermehren sich in der Leber. In diesem Versteck können sie nur von T-Killerzellen (zytotoxischen T-Zellen) bekämpft werden. Doch nach allem was man bisher weiß, ist diese Form der Abwehr bei Malariaparasiten nur begrenzt wirksam.



Die Merozoiten gehen noch raffinierter vor. Sie vermehren sich in roten Blutzellen. Im Gegensatz zu anderen Zellen fehlen den roten Blutzellen MHC-I-Moleküle, mit denen sie Bruchstücke des Parasiten an ihrer Oberfläche präsentieren könnten. Den Killerzellen fehlen also schlicht die erforderlichen "Feindbilder", daher können sie nicht eingreifen.


Zur Überlebensstrategie der Merozoiten gehört noch ein weiterer Trick: Sie bringen die infizierten roten Blutzellen dazu, bestimmte Oberflächenmoleküle auszubilden. Diese Moleküle wirken wie "Klebstoffe" und heften die Blutzellen an die Gefäßwand. So wird ein Abtransport in die Milz verhindert, die normalerweise kranke Blutzellen beseitigt. Die Merozoiten sind in den "parkenden" Erythrozyten in Sicherheit und können sich in aller Ruhe vermehren.


Die Malariaparasiten verstehen es sogar, Abwehrmaßnahmen des Körpers zu ihrem Vorteil zu nutzen. Als Reaktion auf die Krankheitserreger, setzen Fresszellen den Botenstoff TNFα (Tumor-Nekrose-Faktor Alpha) frei.


In geringer Konzentration werden die Parasiten abgetötet. Bei Überschreiten einer bestimmten Konzentration wird jedoch der Klebstoffeffekt verstärkt. Immer mehr rote Blutzellen, auch nicht-infizierte, bleiben an der Gefäßwand hängen und verklumpen miteinander. Der Stau in den Blutgefäßen wird noch von Antikörpern verstärkt, die sich an die "Klebstoffmoleküle" der infizierten Blutzellen heften. Was den Malariaparasiten nützt - sie vermehren sich am besten in sauerstoffarmer Umgebung - kann für den Menschen zur tödlichen Gefahr werden. Mangelhafter Sauerstofftransport und unzureichende Durchblutung zerstören Organe wie Leber, Niere oder Gehirn.


Schutz vor Malaria

Trotz aller Bemühungen gibt es bisher keine erprobten Impfstoffe, die vor Malaria schützen. Das liegt vor allem an dem komplizierten Lebenszyklus der Parasiten, die durch Tarnung und Täuschung die Immunabwehr immer wieder überlisten.


Impfstoffversuch in Afrika
Impfstoffversuch in Afrika

Außerdem ist die großtechnische Kultivierung von Malariaparasiten zur Impfstoffgewinnung bisher nicht möglich. Als Alternative kommen synthetisch hergestellte Antigene in Betracht. Aber bisher ist nicht klar, welche Oberflächenantigene der Erreger zu einer effektiven Abwehr durch Antikörper führen. Ein Beispiel: Der von Manuel Patarroyo entwickelte Impfstoff SPF 66, ein Cocktail verschiedener synthetisch hergestellter Antigene, erwies sich als zu wenig wirksam. Auch Versuche mit anderen Impfstoffen brachten bisher nicht den gewünschten Durchbruch.



Nach wie vor ist man also auf Antimalariamittel angewiesen, die den Stoffwechsel der Parasiten stören und sie abtöten. Allerdings wird diese wichtige Waffe im Kampf gegen die Malaria zusehends stumpf. Manche Plasmodienstämme sprechen auf lange bewährte Medikamente nicht mehr an. Die Erreger sind gegen bestimmte Wirkstoffe resistent geworden.


Der einfachste Schutz vor einer Malariainfektion besteht darin, sich vor den Stichen der Anophelesmücke zu schützen. Da die Weibchen nur in den frühen Abendstunden und nachts stechen, helfen sogenannte Repellents (Abwehrstoffe, die auf die Haut aufgetragen werden) und mit Insektiziden imprägnierte Moskitonetze. Wer als Tourist in Malariagebiete reist, sollte sich vorher medizinisch beraten lassen und gegebenenfalls die empfohlenen Antimalariamittel vorschriftsmäßig einnehmen.