29. April bis 5. Mai – die dritte und entscheidende Woche: Die Spechtjungen von Fritz und Friederike schlüpfen aus ihren Eiern.

endlich geschluepft!5. Mai – die Spechtkinder schlüpfen. Ich hätte mich zerreißen können. Bei der spannendsten Szene am Höhlenloch war die Kassette im Film-Rekorder gerade voll. Ein Grauspecht landete an Fritzens Höhle, schaute hinein. Fritz wie eine Furie fuhr auf den Eindringling los, kreischte, machte einen höllischen Lärm. Nicht schlecht Herr Specht! Heute war es so weit. Die kleinen Spechte haben sich aus ihren Eiern befreit. Um 21 Uhr 15 verlässt Fritz die Höhle. Ich beobachte wie Specht-Baby Nummer 6 von sieben sich mit großer Anstrengung aus dem Ei pellt - anmutend und zugleich winzig. Wie im Comic klebt die Eischale am Kopf als wäre es ein Hut. Immer wieder macht das Kleine Pause, um dann mit noch mehr Kraft den Rest der Schale zu sprengen. Wie ein Knäuel liegen die Spechtkinder zusammen, die Hälse verschlungen, um sich gegenseitig zu wärmen. Völlig nackt sind sie, Augen und Ohren verschlossen. 15 Minuten sind vergangen. Friederike kommt mit vollem Schnabel in die Höhle. Die Kleinen recken ihre langen dünnen Hälse der Mutter entgegen, werden von ihr mit kleinen Larven verköstigt. Mit der Ruhe in der Höhle ist es vorbei. Die Mittelspechtbabies machen eigentümliche Geräusche, wie eine Mischung aus Specht, Frosch oder Unke und leise quietschendem Styropor tönen sie. Friederike plustert ihr Gefieder und wärmt ihre Babys. Ob das 7. Baby in der Nacht aus dem Ei schlüpft?
[Real-Video: 05. Mai - Schlupftag [1:21 Min.]

Hält der Baum? 4. Mai. Ich hätte mir eine wärmere Hose anziehen sollen. Nach zwei Stunden Beobachten im Waldwagen-Studio kroch mir die Kälte übers Knie hinauf. Den Ofen konnte ich nicht anfeuern. Die Übertragungskabel lagen zu dicht am Rohr. Ich ging hinaus, eine Runde drehen. Beim Zurückkommen lehnte ich mich an den umgefallenen Nussbaum. Von dort kann ich genau auf Fritzens Wohnung schauen. Noch immer liegen viele weiße und rötliche Holzspäne unter der Kastanie. Vor zwei Jahren hat der große Sturm die ganze Krone abgebrochen. Jetzt steht nur noch ein Stückchen Stamm mit einem Seitenast. Doch immer noch treiben die Zweige grüne Blätter. Das Holz ist faul. Spechte mögen das. (Markus mag das weniger. Er fürchtet, der Stamm könnte brechen, wenn er auf der Leiter arbeitet - wie auf dem Bild oben). Im gesunden Holz zu zimmern, das machte den Spechten viel mehr Arbeit. Außerdem hält das angemorschte Holz die Wärme gut. Es ist wie Styropor. Die alten Holzmacher hätten solch einen Baum schon lange gefällt. Natürlich, der Höhlenbaum sieht nicht mehr so lebendig aus wie die Alleebäume, die jetzt ihre Blütenkerzen aufgesteckt haben. Mir gefallen solche halbvermorschten Baumgreise. Mir gefallen auch die Pilze, die aus dem Stamm herauswachsen. Den Käfern, den Spinnen und den Mittelspechten gefällt das auch.
[Real Video: Fritz im Vorfeld der Brut [0:40 Min.] | Real-Video: 04. Mai - Tag 7 [0:14 Min.]

Auf mehreren Bildschirmen werden die Spechte beobachtet.3. Mai. Es regnet und regnet. Auf der Obstwiese hab ich nach den Grünspechten geschaut. Triefend nass waren die Grashalme. Gebeugt unter der Last der Regentropfen. Triefend nass war auch meine Hose. An einem solchen Tag hatte ich vor Jahren den Wendehals entdeckt. Auf einer Stelle, wo das Gras licht stand, hatte er Ameisen aus ihren Gängen gelutscht. Der Wendehals ist ein Specht, der ganz anders ist als Buntspecht oder Schwarzspecht. Er hat keinen Stützschwanz. Er hat ein Gefieder wie Eulen. Er baut keine Höhlen und geht sogar in Nistkästen. Außerdem zieht er im Herbst nach Afrika. Das Wendehalsweibchen hatte sein erstes Ei in den Nistkasten der Feldspatzen gelegt. Die Sperlinge bemerkten nicht, dass sie ein fremdes Ei bebrüteten. Weil aber Familie Feldsperling nicht wusste, wie man einen jungen Wendehals füttert, starb er. Das Licht der Welt hat er nie erblickt. Junge Spechte werden blind geboren. Im Waldstudio gab es technische Schwierigkeiten. Und dann Glück im Unglück. Das funkelnigelnagelneue Mikrofon war platt. Markus ist beim Montieren draufgetreten. Es arbeitet trotzdem. Abends hat Markus die Technik im Griff. (Er will noch heim zu seiner Frau nach Uri in der Schweiz): Bild und Ton sind gut.
[Real-Video: 03. Mai - Tag 6 [0:53 Min.]

Der Webcam entgeht nichts: Der Eingang der Spechthöhle2. Mai. Ich bin zum Stubenhocker geworden. Vor Tagen noch bin ich im Park herumgestreift, um Spechthöhlen zu finden, hatte angesessen und dabei Mäuse beobachtet. Jetzt sitze ich in Markus' Studio im Waldwagen, starre ich auf den Bildschirm und sehe, was mir in all den Jahren zuvor verborgen blieb. Ich kann in eine Spechthöhle hineinschauen, sehen, was in einer Spechthöhle vor sich geht. Geglaubt hatte ich, Fritz und Friedricke säßen ganz ruhig auf ihren Eiern - von wegen. Wenn Fritz mit seinem Brüten fertig ist, dann verläßt er die Höhle. Gleich darauf schlüpft Friedericke ein, plumpst in die Höhle, kuschelt sich die Eier unter die Flügel und schon fallen ihr die Augen zu. Doch schon nach drei, vier Minuten ist sie wieder wach, putzt sich am Bauch, unter den Flügeln, hackt ein paar Späne vom Höhlenboden. Im Kopfhörer kann ich das Hacken deutlich hören. Ich fürchte, sie könnte dabei die Eier zerstören. Doch immer noch liegen sieben rundliche Eier in der Höhle. Dann steckt Friedericke den Kopf ins Gefieder und schläft. Am liebsten würde ich Friedericke streicheln.
[Real-Video: 02. Mai - Tag 5 [0:52 Min.]

Webcambild: Fritz bei der Brut1. Mai. Käuze bei Nacht: Bis 10 Uhr musste ich noch beim NABU Marbach erzählen – nicht über Spechte, sondern über Irland, wo es keine Spechte gibt. 10 Uhr abends natürlich, nicht morgens. Dunkel war's im Park. In den Eichen hing ein milchiger Mond. Von den Bäumen tröpfelte es. Aus den Wiesen stieg Nebel. Bei den Volieren fiepten junge Waldkäuze. Markus hatte gerade zu Abend gegessen. ´"Willst Du die Käuze mal sehen?", fragte er. Markus reichte mir ein Sehgerät, etwas größer als ein Fernglas. Wir stapften zum Höhlenbaum. "Schau dort hinauf", sagte Markus, "dort oben in der Eiche sind sie." Merkwürdig, dieser Blick durch das Nachtsichtglas. Ich erkannte die Bäume, das Forsthaus, wenn ich zur Obstwiese schaute, den Zaun, die Formen der Birnenbäume, die Damhirsche auf der Wiese. Es wirkte so unwirklich, so schattenhaft… Und dann: oben in der knorrigen Eiche drei Paar rotglühende Augen, die jungen Waldkäuze. Nach einer Weile konnte ich auch die jungen Käuze erkennen, sehen, wie sie auf den kahlen Ästen herumturnten. Im Waldwagen sah ich Mittelspecht Fritz bei Schlafen zu. Damit Fritz gut schlafen kann, brennt in der Höhle nachts eine Infrarotlampe. Ihr Licht ist fürs Auge unsichtbar. Die Kamera liefert uns trotzdem Bilder, jedoch in Schwarzweiß. Deshalb kann ich nicht erkennen, wer wirklich in der Höhle ist. Aber ich weiß ja, nachts brüten immer die Spechtmännchen.

webcam-Bild3o. April. Das Studio im Waldwagen: Förster Axel Armbruster hatte uns seinen grünen Arbeitswagen angeboten. Das war sogar wichtig. Denn Markus Bildschirme, die Verstärker und Aufzeichnungsgeräte, können nicht einfach draußen stehen. Hirsche könnten sie beschädigen, der Regen könnte zu Kurzschlüssen führen. Aber der Förster hatte gerade keine Zeit, musste andere Forstleute durch den Favoritepark führen. Der Wagen stand 5o Meter zu weit weg am Zaun zur Obstwiese. So lang waren die Kabel nicht, die von Fritzens Höhle wegführten. Wir mussten näher an die Höhle, so auf 15 Meter Abstand unter den Bäumen war ein guter Platz. Wir versuchten, den Wagen zu schieben - aber beide Reifen waren platt. Markus wechselte die Räder. Trotzdem, mehr als einen Meter schafften wir es nicht, den Wagen zu verschieben, obwohl alle mithalfen, Yann, Pit und die kräftigen Männer vom Forsthaus. Ein kleiner Geländewagen war unsere Rettung. Am Abend hatte Markus den Arbeitswagen in ein kleines Studio verwandelt. Das Mittelspechtmännchen Fritz kam kurz nach 19.oo Uhr an die Höhle. Er wollte Friederike ablösen. Auf dem Monitor sahen wir ihn in voller Größe. Als es dunkel wurde, schaltete Markus das Infrarotlicht an. Jetzt können wir Fritz auch bei Nacht beobachten.
[Real PlayerReal-Video: 30. April - Tag 3 [0:32 Min.]

webcam-bild29. April. Heute wollen wir auf Sendung gehen. Ab heute sind Fritz und Friederike Internet- und Fernsehstars. Zuvor muss Markus auf die Leiter steigen. Ich hab mir einen Helm mitgenommen – für den Fall, dass er mich noch einmal mit dem Bohrer bewirft. Markus dreht kleine Metallröhren in die Löcher, die wir gestern gebohrt haben. Die Röhren sind vorn mit runden Glasscheiben verschlossen. In ein Rohr schiebt er die Kamera, in ein anderes eine kleine Lichtquelle. Gespannt schaue ich auf den Monitor. Links im Bild sehe ich das Gelege. Dreh die Kamera noch ein bisschen nach rechts, rufe ich. Markus steigt die Leiter herunter. Beide schauen wir auf den Monitor. Keine Minute dauert es, da sehen wir, wie das Männchen in die Höhle schlüpft, sich die Eier unter die Flügel schiebt. Dann fallen ihm die Augen zu. Fritz schläft. Technische Probleme gibt es bei der Telekom. Der Techniker kann den Telefonanschluss nicht finden. Ohne Telefonleitung können wir nicht ans Netz. Schließlich hat er es doch geschafft. Markus verlegt Kabel vom Monitor zur Volière. Dort hat der SWR-Techniker ein kleines Studio eingerichtet. Wir warten, dass endlich alle Technik klappt. Gegen Abend ist es soweit: Unsere Mittelspechte können im Netz gesehen werden. Wir atmen auf. Wir sind froh, dass Fritz und Friederike mitgespielt haben. Auf dem Monitor sehen wir, wie Fritz sich in der Höhle räkelt, wie er an die Höhlenwand hackt und schläft. So wie wir hat das noch kein Mensch beobachtet.
[Real-Video: 29. April - Tag 2 [0:18 Min.]