Raubtiere allgemein - Merkmale
Als Raubtiere (Carnivora) wird eine systematische Gruppe (Ordnung) innerhalb der Säugetiere bezeichnet. Carnivor bedeutet fleischfressend. Obwohl sich auch Nichtsäugetiere carnivor ernähren, zählt aber nur ein eng begrenzter Teil der Säugetiere mit bestimmten Merkmalen (s.u.) zu den Carnivora. Es sind:
● Katzenartige (z.B. Haus- und Wildkatze, Luchs)
● Hundeartige (u.a. Hund, Wolf und Fuchs)
● Hyänen
● Marder (u.a. Dachs, Baummarder, Steinmarder = "Automarder")
● Kleinbären (z.B. Waschbären)
● Bären (z.B. Braunbär)
● Robben
Charakteristisch für die Carnivora ist das Gebiss mit kräftigen Eckzähnen zum Festhalten der Beute. Außerdem sind der 4. Prämolar im Oberkiefer und der 1. Molar im Unterkiefer als Reißzähne ausgebildet. Mit den Reißzähnen wirkt das Gebiss wie eine Brechschere. Damit können kräftige Knochen zerkleinert werden. Ursprünglich hat das vollständige Gebiss 44 Zähne und die Formel - 3 1 4 3 - (oben, unten, rechts und links) = 44 Dieses kann aber bei den einzelnen Gruppen stark abgewandelt oder rückgebildet sein.
Bei den landlebenden Fleischessern heben kräftige Laufbeine den Körper weit vom Boden ab und ermöglichen eine schnelle Fortbewegung. Der Fuß wird im Verlauf der Evolution allmählich aufgerichtet: Sohlengänger -> Halbsohlengänger -> Zehengänger. Dies ermöglicht ein schnelles Verfolgen der Beute. Außerdem sind ausgesprochen starke Sinnesleistungen charakteristisch (Gesichtssinn, Gehör, Geruch). Daher ist auch das Hirnvolumen relativ groß, die Oberfläche stark gefurcht. Carnivora sind intelligente Tiere. Sie können Beute aufspüren, im schnellen Lauf oder Sprung jagen und überlisten.
Raubtiere unserer Wälder
Wolf (Canis lupus Linné 1758)
- Europäische Unterart: Canis lupus lupus
- Lebensraum: Bevölkerte einst die gesamte Nordhalbkugel von der arktischen Tundra über die pazifischen Regenwälder bis hin zu Halbwüste Saudi-Arabiens.
- Gewicht: Je nach Unterart von 20 kg (arabischer Wolf) bis über 45 kg (Alaska) Durchschnittsgewicht; in Europa zwischen 25 kg und 40 kg.
- Farbe: Weiß in der Arktis, graubraun oder schwarz in Nordamerika, in Europa durchgehend graubraun.
- Nahrung: Reiner Fleischfresser, lebt überwiegend von großen Huftieren, in Mitteleuropa Rotwild, Rehe und Wildschweine; als Opportunisten fressen Wölfe natürlich auch Haustiere, wenn sie zugänglich sind.
- Raumbedarf: Wölfe brauchen viel Platz, sie leben in sehr niedrigen natürlichen Dichten. Unter mitteleuropäischen Bedingungen beansprucht ein einzelnes Wolfsrudel ein Gebiet von etwa 200 km², in der Arktis oft über 1.000 km².
Luchs (Lynx lynx)
- Verbreitung: Der Luchs ist im gemäßigten und nördlichen Eurasien beheimatet und in Nordamerika. In Europa war er ehemals weit verbreitet, heute kommt er aber nur noch in kleineren, isolierten Beständen auf der Iberischen Halbinsel, in den Balkan- und Karpatenländern, in Skandinavien und Osteuropa vor. In den letzten Jahrzehnten wurde er in kleinen Gebieten des Bayrischen Waldes und in der Schweiz erfolgreich wieder ausgesetzt.
- Merkmale: Der Luchs ist mit einer Körperlänge von 100 - 120 cm deutlich größer als Haus- und Wildkatzen, er wiegt 20 - 25 kg. Seine Färbung ist rotbraun bis weißgrau, er kommt mit und ohne schwarze Fleckung vor. Charakteristisch sind die Ohren mit Haarpinsel und der Stummelschwanz mit dem schwarzen Schwanzende
- Lebensweise: Luchse leben als Einzelgänger. Sie sind vor allem dämmerungs- aber auch tag- und nachtaktive Räuber. Sie leben von kleinen und großen Säugetiere und von Vögeln; Hauptbeutetiere sind Rehe und Gämsen, aber auch Füchse zählen zu ihrer Beute. Gelegentlich "vergreifen" sie sich auch an Schafen. Luchse sind Pirschjäger, die lautlos umherschleichen, die Beute mit einem kräftigen Sprung anfallen und mit einem Genickbiss erlegen.
- Luchs und Mensch: Luchse wurden seit Jahrhunderten vom Menschen gefürchtet als Räuber von Wildtieren (Rehe) und von Haustieren (Schafen). Deshalb wurden sie konsequent verfolgt und ausgerottet. Seit 1970 fanden in Mitteleuropa, wie zum Beispiel in der Schweiz, in Österreich, Slowenien und in Tschechien sowie in Frankreich, Wiederansiedlungen statt, die sich teilweise zu mehr oder weniger stabilen Populationen entwickelt haben. In Deutschland gibt es inzwischen wieder geringe Luchsbestände im Bayerischen Wald, im Fichtelgebirge, im Elbsandsteingebirge, entlang der Tschechischen Grenze. Auch im Pfälzer Wald haben sich einige Luchse aus einer Aussetzung halten können. Im Harz läuft ein Projekt, das im Frühjahr 2002 insgesamt zwölf Tiere ausgesetzt hatte.
Dachs (Meles meles)
- Verbreitung: Der Dachs ist im gemäßigten Eurasien verbreitet.
- Merkmale: Er ist etwa fuchsgroß, aber schwerer und plumper. Er hat eine schwarzweißgraue Gesichtsmaske.
- Lebensweise: Dachse sind dämmerungs- und nachtaktiv. Sie leben territorial als Einzelgänger, als Paar oder im Familienverband. Dachse sind bodenaktiv. Ihr Lager (Wohn-, Überwinterungs-, Geburts- und Aufzuchtstätte) haben die Tiere in mehrere Meter tiefen Erdbauten, die über Generationen genutzt und erweitert werden.
Der Dachs ist ein Allesfresser. Er frisst sowohl Wurzeln, Beeren und Früchte als auch Insekten, Schnecken und Regenwürmer, Kleinsäuger und Aas. Sein Leibgericht sind Regenwürmer (teilweise bis über 50 % der Nahrung). Zum Leidwesen der Landwirte entwickelt er eine besondere Vorliebe für Mais.
- Dachs und Mensch: In den 60er Jahren setzte der Mensch dem Dachs schwer zu, als dieser Opfer von Baubegasungen wurde, die sich eigentlich gegen den Fuchs richteten (Tollwutbekämpfung). So hatte der Bestand Anfang der 70er Jahre seinen Tiefstand am Rande der Ausrottung erreicht. Mittlerweile ist der Dachs jedoch wieder weit verbreitet und seine Besätze sind in vielen Regionen nach wie vor steigend.
Fuchs (Vulpes vulpes)
- Verbreitung: Der Rotfuchs ist in Eurasien und Nordamerika verbreitet. Auch in Australien ist er inzwischen beheimatet, denn er wurde im 19. Jahrhundert von britischen Auswanderern eingeschleppt und konnte sich als anpassungsfähiger Neuankömmling über den ganzen Kontinent verbreiten.
- Merkmale: Der Rotfuchs ähnelt einem kleinen schlanken Hund. Er hat einen spitzen Kopf mit stehenden großen Ohren und einen buschigen Schwanz.
- Lebensweise: Füchse sind vorwiegend nacht- und dämmerungsaktive Einzelgänger. Sie leben territorial, d.h. in Revieren. Er ernährt sich von Kleintieren bis Hasen- und Gänsegröße, auch von Eiern, Beeren und Früchten. Da sie auch Aas verzehren, kommt ihnen eine wichtige Rolle als "Gesundheitspolizei des Waldes" zu.
- Fuchs und Mensch: Seit jeher gilt der zur Familie der Hundeartigen zählende Rotfuchs als Inbegriff der List und Gerissenheit. Viele der ihm angedichteten Verhaltensweisen sind zwar frei erfunden, aber zweifellos gehört der Fuchs zu den lern- und anpassungsfähigsten Säugetieren unserer Heimat. Als echte Kulturfolger dringen Füchse zunehmend auch in urbane Lebensbereiche vor.
Füchse können Tollwut übertragen, eine Krankheit, die auch für den Menschen lebensgefährlich werden kann. Deshalb wurden und werden sie vielerorts bejagt und begast (in Deutschland allein ist jährlich von hunderttausenden "beseitigten" Füchsen die Rede). Seit den 80er Jahren wird die Schluckimpfung per Impfköder durchgeführt - mit Erfolg in Baden-Württemberg, denn dieses Bundesland gilt seit 1996 als tollwutfrei.
Kehrseite des Erfolges dieser Impfkampagne ist, dass die Fuchspopulation sehr stark angewachsen ist, denn die Tollwut als Regulativ des Populationswachstums ist weggefallen.
Gefürchtet ist der Fuchs inzwischen auch, weil er Hauptwirt des Fuchsbandwurmes ist, eines Erregers, der für den Menschen tödlich sein kann.
Baummarder (Martes martes)
- Verbreitung: Ausgedehnte Waldgebiete in Mittel- und Nordeuropa
- Merkmale: Der Baummarder ist etwas kleiner als die Hauskatze. Er hat relativ kurze Beine und einen langen, buschigen Schwanz. Sein Fell ist hell- bis dunkelbraun und er hat einen dottergelben Kehlsack.
- Lebensweise: Er ist ein überwiegend nacht- und dämmerungsaktiver Einzelgänger, der zur Zeit der Jungenaufzucht im Familienverband lebt. Als geschickter Kletterer legt er weite Strecken auf Bäumen zurück, ohne den Erdboden zu berühren. Seine Nahrung sind Wühlmäuse, Eichhörnchen, Vögel, Insekten, Früchte und Beeren.
- Mensch und Baummarder: Anders als der stark verbreitete Steinmarder (oder "Automarder") gilt der Baummarder als Kulturflüchter. Obwohl er früher wegen der Nutzung seines Felles bejagt wurde gilt er zwar als selten, sein Bestand aber nicht als gefährdet.
Braunbär (Ursus arctos)
- Verbreitung: der europäische Braunbär war ehemals weit verbreitet, kommt heute aber nur noch in Restbeständen in Süd-, Ost- und Nordeuropa vor.
- Merkmale: Der Braunbär ist einheitlich braun gefärbt, 2-3 m groß und kann bis zu 800 kg wiegen.
- Lebensweise: Der Braunbär lebt als Einzelgänger. Er ist nicht territorial, d.h. er duldet auch andere Artgenossen in seinem Lebensraum. Die Größe seines Streifgebietes hängt hauptsächlich vom Nahrungsangebot ab. Die Werte bei männlichen Bären reichen von 130 km² in Kroatien bis 1'600 km² in Skandinavien.
Bären lieben Honig und ernähren sich von Pflanzen, Kerbtieren, Schnecken, Kleinnagern und Aas. Nur selten werden größere Haustiere wie Schafe erlegt.
- Mensch und Braunbär: Bären sind scheu und versuchen, dem Menschen aus dem Weg zu gehen. Dank ihrem guten Geruchs- und Gehörsinn gelingt dies meistens. Direkte Begegnungen kommen selten vor, Angriffe nur in Ausnahmefällen, wenn sich die Tiere bedroht fühlen.
Die Wiedereinbürgerung in Deutschland wurde immer wieder diskutiert, es wird aber bezweifelt, dass geeigneter Lebensraum vorhanden ist und es werden Konflikte mit der Bevölkerung befürchtet.
Wildkatze (Felis sylvestris)
- Verbreitung: Schottland, Südeuropa, Afrika (außer Sahara), Mittlerer Osten bis Indien; in Deutschland Harz, Taunus, Eifel, Hunsrück, Pfalz, Vogelsberg, nordhessisches Bergland und Thüringen.
- Merkmale: Etwa 5-8 kg schwer, buschiger Schwanz mit schwarzem Endstück. Bei jüngeren Tieren Rute mit geringerer Stärke und bis zum Ende nicht gleich stark ausgeprägt (Verwechselungsmöglichkeit mit Hauskatze). Dunkler Sohlenfleck.
- Lebensweise: Wildkatzen leben vereinzelt in großen zusammenhängenden Waldungen und jagen bevorzugt nachts vor allem Mäuse, aber auch Jungwild und Vögel.
- Mensch und Wildkatze: Früher wurde die Wildkatze als vermeintlicher "Schädling der Wildbahn" rücksichtslos bejagt. Nachdem sie 1934 unter Schutz gestellt wurde, haben sich die Bestände wieder etwas erholt. Unsere Hauskatze stammt nicht unmittelbar von der Wildkatze ab, sondern von der Nubischen Falbkatze (Felis sylvestris lybica). Sie gelangte zu den Ägyptern bereits vor 3000 Jahren und gewann dort rasch an Wertschätzung. Diese ägyptische Hauskatze verbreitete sich erst kurz vor Christi Geburt in Europa und hier zuerst in Italien. Der Mäusejäger blieb in Europa aber noch für 3 Jahrhunderte mehr oder weniger unbeachtet, da sich die südlichen Völker Wiesel und Frettchen als Mäuse- und Rattenvertilger hielten.
Mensch und Raubtier - ein verhängnisvolles Verhältnis
Mittlerweile kehren Wolf, Luchs und Wildkatze wieder in die Wälder zurück. Lange galten sie als sehr selten oder ausgestorben, denn viele Raubtierarten wurden in den vergangenen Jahrhunderten in Deutschland rücksichtslos bejagt. Gründe für die rücksichtslose Bejagung gab es verschiedene. Einige sind hier aufgeführt:
- Menschen fühlen sich bedroht von den Tieren, fürchten Übergriffe auf das eigene Leben.
- Tierhalter fürchten Übergriffe auf ihr Vieh.
- Jäger fühlen sich in Konkurrenz mit den Beutegreifern um Wildtiere, z.B. Rehe und Hirsche.
- Raubtieren wie dem Fuchs, Marder und Dachs wird unterstellt, den Bestand an seltenen Tierarten wie Rebhuhn und Birkhuhn zu gefährden.
Die Gründe, die zur Bejagung der Raubtiere führten sind also vor allem anthropozentrisch geprägt. Der Mensch stellt seine Interessen in den Mittelpunkt und vernachlässigt ökologische Belange. Allerdings fand in den letzten Jahrzehnten in einigen gesellschaftlichen Bereichen ein ökologisch geprägtes Umdenken statt. Seit den 1970er Jahren begann man in einigen Teilen Europas über die Wiederauswilderung der ausgestorbenen Großraubtiere Luchs, Wolf und Braunbär zu diskutieren und in die Tat umzusetzen. Viele dieser Auswilderungen zeigten Erfolg und auch durch Einwanderungen vieler Wildtiere z.B. aus den osteuropäischen Regionen, vergrößerten sich die Raubtierpopulationen in den Wäldern. Naturschützer freut das, aber es gibt auch entgegengesetzte Meinungen. Schäfer müssen um ihre Herden fürchten und Anwohner von Waldgebieten sehen der Rückkehr der Raubtiere mit gemischten Gefühlen entgegen.
Beispiele für Argumentationen auf der Befürworter- und Gegnerseite eines Wiederauswilderungsprojektes. Ein Auszug und Überblick über die Argumente in dieser Diskussion ist im Folgenden tabellarisch aufgeführt:
Argumente gegen die Wiederauswilderung | Argumente für die Wiederauswilderung |
---|
Dadurch findet erneut ein aktiver Eingriff in die Natur statt. | Die Raubtiere haben ihre Daseinsberechtigung weil es heimische Arten sind.Es gibt bei uns geeignete Lebensräume.Das Ökosystem Wald würde durch die Artenvielfaltserhöhung aufgewertet. |
Es besteht die Gefahr, dass Raubtiere überhand nehmen. | Eine Überpopulation ist unmöglich, dies widerspricht den populationsbiologischen Erkenntnissen. |
Raubtiere können den Bestand seltener Tierarten, wie z.B. der Reb- und Birkhühner, gefährden. | Raubtiere gefährden den Bestand ihrer Beutetiere niemals. Räuber dürfen, um ihre Ernährung langfristig zu sichern, nur den Fortpflanzungsüberschuss der Beute fangen. |
Der Wildbestand schwindet zu stark. | Die Raubtiere können regulierend auf den Wildbestand wirken. Die Wiederauswilderung der Raubtiere käme der Waldverjüngung zugute, denn Schalenwildbestände (1) würden dezimiert. Mensch und Raubtiere sind gar keine Konkurrenten, denn der Mensch ist nicht auf das Wild (2) angewiesen. |
Nutztiere gehen verloren. Wiederaussetzung wird zu teuer, weil viel Geld für Forschung und auch für Entschädigung der Viehhalter bei Nutztierverlusten ausgegeben wird. | Für den Verlust an Nutztieren müssen die Viehhalter Ausgleichszahlungen erhalten. |
Der Luchs ist potentieller Tollwutüberträger. | Der Luchs kann den Fuchs reißen und damit dezimierend auf die Tollwutverbreitung wirken. Raubtiere sind die "Gesundheitspolizei" des Waldes, denn sie beseitigen kranke Tiere. |
Die grausamen Raubtiere werden auch dem Menschen gefährlich. | Raubtiere sind für den Menschen harmlos. |
(1) Schalenwild: Sammelbegriff für alles jagdbare Wild, was Schalen (Hufe) hat, z.B. Wildschweine und Rehe (2) Sammelbezeichnung für wild lebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen
Die Zusammenstellung zeigt, dass beide Diskussionsseiten berechtigte Argumente haben, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Insgesamt scheint wichtig zu sein, dass die Diskussion um die Großraubtierproblematik artspezifisch erfolgt und dass dort weiter Forschung betrieben wird, wo diese Tiere leben. Für die Bevölkerung muss Öffentlichkeitsarbeit im Sinne einer Umweltbildung geleistet werden, da der Schutz und die Wiedereinführung von Raubtieren die Akzeptanz unter der Bevölkerung voraussetzt. Genauso sollten die Diskussionspartner versuchen eine sachliche Auseinandersetzung zu führen.