Die in den einzelnen Szenen verarbeiteten biographischen Elemente
Bild 1 – Am Strand von Étretat

Die Eröffnungsszene des Films spielt im Jahre 1872 auf der Seepromenade von Étretat in der Normandie. Maupassant ist circa 22 Jahre alt und trägt seine typische Maupassant-Hose und seinen charakteristischen Schnurrbart. Er steht neben seiner etwa 50jährigen, leicht ergrauten Mutter Laure, die auf einer Bank sitzt und ein Buch in der Hand hält. Dieses Buch, es ist der neueste Roman von Flaubert (vielleicht "L'Éducation sentimentale"), verweist auf die Literaturbegeisterung von Maupassants Mutter, die nicht nur sehr belesen war und mehrere Sprachen beherrschte, sondern auch selbst Gedichte verfasste und in ihren Sohn Guy schon früh die Berufung zum Schriftsteller hineinprojizierte.
Die sehr vertrauliche Unterhaltung von Mutter und Sohn dreht sich zunächst um den eben zu Ende gegangenen französisch-preußischen Krieg und dessen fürchterliche Folgen für Frankreich. Maupassant wird hier mit wenigen Strichen als überzeugter Patriot und Pazifist dargestellt, Einstellungen, denen er bis zu seinem Lebensende treu geblieben ist, wenngleich er sich nie aktiv am politischen Leben seines Landes beteiligt hat.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs erwähnt Maupassant vor seiner Mutter sein armseliges Leben in Paris und seinen chronischen Geldmangel – chronisch vor allem auf Grund seines recht zerrütteten Verhältnisses zu seinem Vater und wegen seiner Leidenschaft für Prostituierte, die er von diesem "geerbt" hat. Gustave Maupassant hatte nach der Scheidung die Familie nur recht unzureichend unterstützt, und Guys Einstellung zu Ehe und Familie wurde dadurch nachhaltig negativ beeinflusst.
Am Ende der Szene kommt, ausgelöst durch das bereits erwähnte Buch, das Gespräch zwangsläufig auf Flaubert und die Tatsache, dass Maupassant diesem regelmäßig alle seine Manuskripte zuschickt, um sie vom Meister begutachten zu lassen. Flaubert ist bekanntlich seit jener Zeit mit Maupassant freundschaftlich verbunden gewesen. Er hat dessen Talent erkannt und ihn in seiner literarischen Entwicklung ganz entscheidend gefördert. Die außerordentlich hohen Ansprüche, die Flaubert an seine eigene schriftstellerische Arbeit stellt, fordert er in gleichem Maße auch von seinem Schüler. So ist es nicht verwunderlich, dass die Arbeiten Maupassants seiner Kritik nicht standhalten können.
Der Kommentar am Ende der Szene unterstreicht Maupassants Liebe zur Natur als Kontrast zu seinem beengten, leidensreichen Leben in Paris, wo er sich niedergelassen hat.
Bild 2 – Im Zimmer einer Prostituierten

Wir begegnen hier Maupassant im Zimmer einer Prostituierten. Er ist jetzt circa zwei Jahre älter, kräftig, aber etwas bleich und verliert bereits seine Haare. Er ist deutlich schlechter gekleidet als in der vorigen Szene, was auf seine recht ärmlichen Lebensumstände hindeuten kann. Die Prostituierte hingegen ist jung, trägt langes lockiges Haar, ist ihrem Beruf entsprechend spärlich bekleidet und gibt sich betont verführerisch.
Zu Beginn der Szene liest Maupassant einen Brief, den er von seinem Lehrmeister Flaubert erhalten hat: dieser fordert noch härtere Arbeit, noch mehr Opferbereitschaft für die Kunst, der alles andere untergeordnet werden muss. Im weiteren Verlauf der Szene beklagt sich Maupassant über seine ungeliebte subalterne Stellung im Marineministerium, die ihm übrigens sein Vater nur unter großer Mühe und durch Beziehungen beschaffen konnte: die stupide Tätigkeit dort macht ihm das künstlerische Schaffen unmöglich.
Die Prostituierte geht auf keines der beiden von Maupassant angesprochenen Themen wirklich ein und serviert stattdessen Champagner. Maupassant stößt mit ihr lachend auf seine Syphilis (!) an: sein Lachen darüber lässt vielleicht eher die Abgründe erahnen, die sich für Maupassant auftun, als dass es die Befreiung von einer Bedrohung und einer Angst wäre.
Auch in der nächsten Passage zeigt sich wieder das gekünstelte, oberflächliche Verhältnis der beiden Figuren: während die Prostituierte allmählich an ihre eigentliche Tätigkeit zu denken scheint, berichtet ihr Maupassant über seine neuesten literarischen "Produktionen" und insbesondere über ein schockierendes pornographisches Theaterstück, das er zusammen mit Ivan Turgenev und Alphonse Daudet verfasst hat und welches derzeit geprobt wird. Wiederum geht die Prostituierte in keiner Weise auf Maupassants Schilderungen ein – sie interessiert sich nicht für Literatur (und nicht einmal für solche!). Was ihr am Herzen liegt, ist ihr Verdienst (und vielleicht ihr Vergnügen): jedenfalls wechselt sie erneut unvermittelt das Thema und äußert ihren Wunsch, die Sonntage wieder mit Maupassant und dessen Freunden auf der Seine zu verbringen. Dieses Mal ist es Maupassant, der den Dialog zum Monolog werden lässt: anstatt ihr zu antworten, ergeht er sich in Erinnerungen an diese Zeiten und an die Dinge, die ihm im Leben wirklich wichtig erscheinen: Wasser, Sonne, sein Boot, Essen, Tanzen.
Der Kommentar am Ende der Szene schlägt die Brücke zum nächsten Bild, indem er Maupassants Arbeit als Erzähler und Journalist herausstellt und dessen beginnende Bekanntheit in der Öffentlichkeit erwähnt.
Bild 3 – Im Arbeitszimmer von Maupassant

Diese Szene spielt etwa 8 Jahre später. Maupassant kommt eben vom Duschen in sein Arbeitszimmer und setzt sich neben seinen mit Papieren und Büchern überladenen Schreibtisch: Maupassant ist ein vielbeschäftigter Mann. Als Kontrast zur vorigen Szene spürt man hier eine echte Beziehung zwischen den Personen: der Diener François Tassart kümmert sich um das leibliche und seelische Wohl seines Herrn. Er massiert ihm den Nacken, bespricht mit ihm die Mahlzeiten, ist sein Beichtvater. Ausgelöst durch den Lärm einer vorbeifahrenden Kutsche bricht wieder die Rastlosigkeit Maupassants hervor: sein Wunsch, wegzuziehen, neu anzufangen, alle Brücken, die ihn mit der Pariser Gesellschaft verbinden, hinter sich abzubrechen. Behutsam versucht ihm François, den Brief einer Dame zu überreichen, aber Maupassant wirft ihn achtlos beiseite - jedoch nicht ohne vorher durch eine "Schnupperprobe" die Absenderin identifiziert zu haben. Er möchte ungestört arbeiten und wendet sich wieder der gerade begonnenen Novelle "La Parure" zu, deren Eingangszeilen er noch einmal laut für sich liest. Dieses Ende leitet ohne Bruch über zu der Eröffnungsszene der Novelle.
Bild 4 - Maupassants Krankheit schreitet fort

Wie im Bild 3 begegnen wir Maupassant in seinem Arbeitszimmer. Es ist 2 Uhr nachts. Der Schriftsteller liegt schlaflos und von Fieber geschüttelt auf seiner Couch. Seine Migräne macht ihm jegliches literarische Schaffen unmöglich, ja er sieht sich nicht einmal in der Lage, seine eben vollendete Novelle mit dem Titel "La Parure" kritisch durchzulesen. Auch die aufopfernde Behandlung durch seinen Diener François Tassart führt zu keiner nachhaltigen Besserung seiner Beschwerden. Zusätzlich zu seiner Migräne leidet Maupassant in verstärktem Maße an Halluzinationen und Verfolgungswahn ("die Dame in Grau"). Wieder taucht das Motiv des Ortswechsels, der rastlosen Unbeständigkeit auf: Maupassant möchte Paris verlassen und irgendwohin ans Wasser ziehen, wo er hofft, wieder atmen zu können.
Der Kommentar am Ende der Szene hebt noch einmal auf Maupassants unstete Reisetätigkeit ab, die es dem Dichter unmöglich macht, auch nur länger als ein paar Tage oder bestenfalls Wochen an ein und demselben Ort zu bleiben.
Bild 5 - Am Wasser

Die vorletzte Szene des Films zeigt einen völlig veränderten Maupassant. Er ist inzwischen fast 40 Jahre alt, sieht jedoch verjüngt aus, ist braun gebrannt und gibt sich vital und lebenslustig. Man könnte den Eindruck haben, sein Schicksal wende sich zum Guten, die Krise der vorangegangenen Szene sei überwunden. In euphorischer Stimmung feiert er in einem Gartenlokal am Wasser mit Freunden den großartigen internationalen Erfolg seines Romans "Bel-Ami", der ihm sogar eine Einladung zu einer Reise nach Italien eingebracht hat. Eine weitere historische Verankerung der Szene geschieht dadurch, dass Maupassant eine Petition unterschreibt, die den Bau des Eiffelturms verhindern soll. Bei Musik und heiteren Gesprächen erinnert man sich gerne an vergangene gemeinsame Unternehmungen: Bootsfahrten, durchtanzte Nächte, Streiche, Maupassant scheint in Hochform zu sein, da folgt unvermittelt die Peripetie: Halluzinationen und gespenstische Wahnvorstellungen überwältigen Maupassant, und er muss, sich seinem Diener zuwendend, die fröhliche kleine Gesellschaft verlassen. Seine Krankheit hat ihn wieder eingeholt.
Bild 6 - Park der Klinik

Die Schlussszene spielt 1892, einige Monate vor Maupassants Tod. Er ist jetzt 42 Jahre alt und, dem Ende nahe, in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Da er nach mehreren Suizidversuchen akut gefährdet ist, steckt er in einer Zwangsjacke. Der dicke Verband, den er an seinem Hals trägt, erinnert an seinen vergeblichen Versuch, sich mit einem Brieföffner die Halsschlagader aufzuschneiden. Sein Diener François und sein Arzt sind bei ihm. Maupassant führt sinnlose, ja abscheulich gotteslästerliche Selbstgespräche: er ist übergeschnappt. Auch François und der Arzt können keine günstigere Diagnose stellen. Mit einem "Dieu, vous êtes fou!" verlässt Maupassant die Lebensbühne, und dem Schlusskommentar bleiben nur noch zwei eher statistisch wirkende Angaben über den Kranken: seine Aufenthaltsdauer in der Klinik und sein Sterbealter.
Zu Maupassants Novelle "La Parure"
"La Parure" ist zum ersten Mal am 17. Februar 1884 in der Zeitschrift "Le Gaulois" erschienen. Die Novelle schildert ein Drama, das sich in einer Pariser Beamtenfamilie verborgen vor der Öffentlichkeit abspielt. Die Hauptpersonen, M. und Mme Loisel, entstammen dem Milieu eines Ministeriums. Dieser Personenkreis war Maupassant durch seine Tätigkeit im Marineministerium zwischen 1872 und 1880 wohlbekannt. Bereits in seinen Erzählungen mit dem Titel "Les Dimanches d'un Bourgeois de Paris" aus dem Jahre 1880 hatte Maupassant seine eigenen Erfahrungen als Angestellter des Ministeriums verarbeitet.
Die Personen in "La Parure" sind sich der Trivialität ihres Daseins bewusst, die in erster Linie eine Folge ihrer beengten finanziellen Verhältnisse ist. Die "Beamtennovelle" hat einen ungewöhnlichen Tag im Leben eines Beamten und seiner Familie zum Thema. Doch hier darf der Beamte die vorgezeichneten Bahnen seines Lebenslaufes aus eigener Kraft nicht einmal für einige Stunden ungestraft verlassen. Er bleibt schicksalhaft an seine begrenzte Daseinsform gebunden. Der Wunsch also, ein einziges Mal eine andere Rolle zu spielen, aus der Monotonie, ja der Gefangenschaft im trivialen Milieu, der Unterordnung unter die Vorgesetzten, wie sie sich in der täglichen Büroarbeit zeigt, auszubrechen, oder, was Mme Loisel betrifft, das eintönige Hausfrauendasein zu vergessen, der Wunsch, sich ein einziges Mal von den Personen seines Standes abzuheben durch ein herausragendes Ereignis (hier der Ball im Ministerium), er führt unweigerlich in die Katastrophe.
Die Novelle erzählt das ganze Lebensschicksal einer Frau aus dem französischen Kleinbürgertum des späten 19. Jahrhunderts. Es ist das Schicksal eines verarmten, vom sozialen Abstieg getroffenen Menschen. Mme Loisel leidet gleich doppelt: zum einen kannte sie vielleicht früher ein relativ besseres Leben, zum anderen wird sie in ihren Sehnsüchten nach Glück und Erfolg bitter enttäuscht. So hat die Schlusspointe eine desillusionierende Wirkung: sie zeigt, wie zufallsbedingt und sinnlos unser Dasein erscheinen kann.
Der Novellentext gliedert sich in sieben kurze Abschnitte. Zu Beginn beschreibt Maupassant als auktorialer Erzähler auf realistisch-naturalistische Weise den Charakter der Hauptperson und verweist auf gewisse soziale und psychisch verankerte Determinanten, die für eine genaue Situierung und Motivierung der Handlung erforderlich sind. Der Eingangssatz "C'était une de ces ... filles ..." weist bereits über das Individuum hinaus, verleiht der Gestalt Mme Loisel eine gewisse Allgemeingültigkeit und macht sie so zu einem exemplarischen Fall: eine hübsche, reizende Frau von schicksalhaft niederer Herkunft findet keinen ihr würdigen, wohlhabenden, sozial höher stehenden Ehemann, sondern nur einen "petit commis". Ihr Status in der gesellschaftlichen Hierarchie ist festgelegt, obwohl sie durch ihre Eigenschaften wie "beauté", "charme" und "grâce" eigentlich einer höheren Schicht angehören müsste und einen ebenbürtigen Partner verdient hätte.
Diese Diskrepanz zwischen dem sozialen Status und ihrem von Natur aus gegebenen Wesen führt Mme Loisel in ein tragisches Dilemma: ihre Herkunft aus niederem Milieu und ihr Gefühl der Zugehörigkeit zur Kaste der schönen Frauen lässt sie vor sich selber als "déclassée" erscheinen. Durch ihre uferlose Phantasie steigert sie diesen Kummer nur noch: statt sich in ihr Schicksal zu fügen, hat sie den Kopf voll von sehnsüchtigen Wunschträumen von den Annehmlichkeiten eines besseren materiellen Lebens. Diese Wunschwelten werden ständig aufs Neue zerstört durch den Anblick der desillusionierenden Wirklichkeit ihres eintönigen Lebens und ihres erschreckend mittelmäßigen Ehemanns. Mme Loisel leidet an jenem Komplex, den man als "Madame-Bovary-Komplex" bezeichnen kann, denn sie muss ihr Leben in trivialen Verhältnissen verbringen, wo sie sich doch zu Höherem berufen fühlt. Die Wiederholung von "Elle songeait…" drückt die Allgegenwart dieser Traumwelt aus, die jedoch die Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht ganz verdrängen kann. Es ist der Abgrund zwischen Sein und Schein, der sich für Mme Loisel ständig neu auftut und in den sie zu stürzen droht.
Der zweite Abschnitt der Novelle bringt mit der Einladung zum Ball den Handlungsimpuls, der das ganze Geschehen auslöst. Dieses Motiv eines mondänen Balles, der als Wunschziel eines lang erträumten Glücks erscheint, erinnert stark an Flauberts "Bal de la Vaubyessard" in seinem Roman "Madame Bovary".
Das Motiv des Balles beherrscht die vier zentralen Abschnitte II-V der Novelle. Die Handlungskurve ist zunächst steigend, Mme Loisel kommt ihrem Glück immer näher. Die erste Schwierigkeit, sich ein Ballkleid zu beschaffen, wird durch ihren Ehemann ausgeräumt. Die zweite Schwierigkeit, sich einen passenden Schmuck zu besorgen, wird ebenfalls gelöst, denn eine reiche Freundin, Mme Forestier, leiht Mme Loisel für diesen Abend eine herrliche Halskette. Das Anlegen des Schmucks erlebt Mme Loisel euphorisch als Gipfel eines absoluten Glückszustandes ("Elle ... demeura en extase devant elle-même").
Der Höhepunkt der Handlung ist Mme Loisel triumphaler Auftritt beim Ball. Sie schwebt auf einer Wolke der Glückseligkeit. Dieser Gipfelpunkt der Handlung liegt genau in der Mitte der Erzählung. Von jetzt an weist die Handlungskurve steil abwärts: der Aufbruch am Ende des Balles mit dem prosaischen, eingeschlafenen Ehemann, die Garderobenszene mit dem Anlegen der schäbigen Überkleidung, die (zuerst vergebliche) Suche nach einem ärmlichen Fiaker , die traurige Heimkehr in ihre Wohnung in der rue des Martyrs(!), der Schock beim Entdecken des Verlustes der Halskette, der Zustand höchster Verstörtheit und dessen Steigerung durch die vergebliche Suche. Der Sturz ins Unglück wird dadurch noch tiefer, dass M. und Mme Loisel den verlorenen Schmuck durch ein identisches Stück ersetzen wollen, anstatt Mme Forestier den Verlust zu offenbaren. Der Kauf der Halskette für 36,000 Francs zehrt M. Loisels kleines Vermögen restlos auf, verursacht geradezu atemberaubende Schulden und setzt so die Existenz der ganzen Familie aufs Spiel.
Das wahre Ausmaß des Unglücks wird dann offenbar, als M. und Mme Loisel nach 10 Jahren der Not (dieser Zeitraum ist in der Novelle auf wenige Zeilen zusammengerafft), da alle Schulden abgezahlt sind, endlich glauben, aufatmen zu können: Mme Loisel hat ihr entbehrungsreiches Leben tapfer gemeistert. Allerdings ist sie zum verarmten Kleinbürgertum herabgestuft, ihre frühere Schönheit ist vergangen. Mme Loisel muss einsehen, dass nun keinerlei Aussicht auf Verwirklichung ihrer heißersehnten Glückserwartungen mehr besteht. Da die Zukunft aussichtslos ist, blickt sie am Ende des vorletzten Teiles der Novelle nostalgisch verklärt auf ihre Vergangenheit zurück, auf den Ballabend, den einzigen Triumph ihres Lebens. Doch der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht. Trotz des Unglücks bleiben ihr ein gewisser Stolz, eine moralische Befriedigung und die Genugtuung über ihr tapferes Durchhalten im Elend. Das Geständnis an Mme Forestier und deren überaschende Antwort führt die Novelle pointiert und überraschend zu Ende. Für Mme Loisel ist jetzt nicht nur der Sinn ihrer Existenz in Frage gestellt, sondern all ihre Anstrengungen müssen ihr als von geradezu tragischer Absurdität erscheinen. Sie erlebt ihr Schicksal als ein unsinniges Zusammentreffen blinder Zufälle und nutzlosen Leidens.
Die Struktur der Handlung – Aufstieg, Höhepunkt, gradliniger Fall – hat dramatischen Charakter und kann die Affinität zwischen Drama und Novelle belegen. Die starke Wirkung der Schlusspointe erzielt Maupassant mit den Mitteln der Handlungsführung und auch durch die personale Erzählperspektive. Der Leser erlebt sämtliche Peripetien der Handlung aus der Sicht der unglücklichen Mme Loisel.
Maupassant verwendet in "La Parure" einen unpersönlichen, sich objektiv gebenden Erzählstil. Mit Ausnahme der auktorialen Passage am Beginn, wo Mme Loisel als für die zeitgenössische französische Gesellschaft typischer Fall dargestellt wird, fehlen direkte Wertungen des Erzählers. Stattdessen überwiegen personal gestaltete Erzählberichte und zahlreiche szenische Darstellungen. Die Gedanken und Gefühle der Hauptperson werden lediglich neutral und exakt wiedergegeben, an einigen Stellen verwendet Maupassant dafür den "style indirect libre" (z.B. Ende Teil V und Ende Teil VI).
Zur zusätzlichen Profilierung der Novelle dient die Tatsache, dass die Personen den "code oral" der Pariser Mittelschicht benutzen und dass die Eheleute in der rue des Martyrs wohnen. Hinzu kommen Maupassants ironische Übertreibungen, wie z.B. M. Loisels triumphierende Miene, als er seiner Frau die Einladung überreicht, Mme Loisels Ekstase beim Betrachten und Anlegen des Diamantcolliers, oder die Naivität in ihrer übertriebenen Bewunderung für soziales Prestige. Durch diese Details wird das grausame Schicksal der Mme Loisel ein wenig in das mildere Licht einer gewissen ironischen Distanz getaucht. Doch trotzdem bleibt in diesem Fall der Eindruck von der Tragik eines Menschen, der vom Schicksal hart getroffen und dessen Leben zur sinnlosen Farce eines banalen Irrtums herabgewürdigt wird. Nicht der Einzelne ist für den Ruin seiner Existenz verantwortlich und letztendlich auch nicht die Gesellschaft, sondern eine blinde Fatalität, die sich im absurden Zufall zeigt.
Verwendete Literatur
Blüher, K. A., "Maupassant" in: W. Krömer (Hg.), Die französische Novelle im 19. Jahrhundert, Düsseldorf 1976, S. 189-197
Kessler, H., Maupassants Novellen, Braunschweig 1966
Kopelke, B., Die Personennamen in den Novellen Maupassants, Frankfurt/Main 1990
Krömer, W., Die französische Novelle im 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 1972
Weipert, S., Die Novellen Maupassants, Frankfurt/Main 1989