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Das Barock-Experiment

Fürstenmonopole | Hintergrund

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Kriegsversehrte humpeln durch die Stadt und riechen an Fenstern und Türen. Sie machen Jagd auf illegale Kaffeeröster, die im dunklen Hinterstübchen die Kaffeesteuer des Königs umgehen wollen. Die Kaffee-Schnüffler, der Ausdruck „Schnüffler“ wird damals geboren, sind im Auftrag von Preußens Friedrich II. unterwegs. In allen Barockstaaten Deutschlands geht es um lukrative Monopole und Steuern, die sie auf den Verkauf von Importwaren eingeführt haben. Oft sind das die Genüsse aus der Neuen Welt: Tabak, Kakao und eben Kaffee.

In einem Röst-Experiment versuchen wir festzustellen, wie der selbstgeröstete Kaffee damals geschmeckt hat? Und für die vielen, die sich auch nach Umgehung der Steuer den teuren Kaffee nicht leisten konnten, untersuchen wir die Geschmackspotentiale von Lupine, Zichorie, Eichel und getrockneten Löwenzahnwurzeln. Der Patron einer der bekanntesten Spezialkaffeeröstereien Deutschlands, das Kaffeehausa Hagen in Heilbronn, nimmt uns mit auf eine Zeitreise vor die Tage vor Filterkaffee und Espresso-Kapseln.

Neue Handelsbeziehungen nach Übersee bringen neue Einnahmequellen aber auch neue landwirtschaftliche Produkte in den Südwesten (Kartoffel, Tomate, Kaffee, Kakao, Tabak). Tabak wird im Südwesten im großen Stil angebaut, in BadenDurlach und besonders in der Pfalz rund um Speyer. „Blüht der Tabak, blüht die Pfalz“ – ein altes Sprichwort, das in den Tagen des Barock große Gültigkeit besaß. Überhaupt ließen die aufgeklärten absoluten Herrscher die Landwirtschaft modernisieren, um Wohlstand in ihre Länder zu bringen.

Dazu dienten auch die neuen Manufakturen, Vorläufer der Fabriken, die Waren in großem Stil herstellen konnten. In Frankenthal und in Ludwigsburg wurden Porzellanmanufakturen aufgebaut, die den Ruf der jeweiligen Landesherren aufpolierten und ordentlich Geld in seine Kasse spülten. Das brachte viele arme Menschen in Lohn und Brot. Denn die prachtvolle Barockfassade verbarg krasse soziale Unterschiede. Dem opulenten Reichtum des Adels stand ein Heer von Armen gegenüber, vor allem Landbevölkerung, die zum Teil noch in Leibeigenschaft ihr Dasein fristete. Die Kriegsinvaliden in Preußen waren jedenfalls froh, dass sie für einen kargen Lohn für ihren König „schnüffeln“ durften.

Porzellan (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Porzellanherstellung – ein fürstliches Monopol Bild in Detailansicht öffnen
Viele grüne Tabakblätter, die von oben herabhängen (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
„Blüht der Tabak – blüht die Pfalz“ Bild in Detailansicht öffnen

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Fürstenherrlichkeit

Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. war mit eindrucksvollem Beispiel vorangegangen und hatte sich in Versailles ein prachtvolles Schloss bauen lassen. Es sollte seinen absoluten Herrschaftsanspruch weithin sichtbar manifestieren. Die barocken Herrscher östlich des Rheins wollten ihm da nicht nachstehen und so bauten auch sie neue Residenzen im neuen Stil. Und das nicht zu knapp: So gab es zum Beispiel allein im Südwesten Deutschlands 250 selbstständige Territorien – Fürsten-, Herzogtümer und Grafschaften –, in denen das Barock seine Spuren hinterließ. Das Barock war auch eine Zeit des Aufbruchs nach den langen dunklen Jahren des verheerenden Dreißigjährigen Krieges. 1715 ließ der Markgraf Karl-Wilhelm von Baden-Durlach den Grundstein für seine neue Residenz legen: Karlsruhe – ein prächtiges Schloss und eine neue Stadt, deren Straßen sich wie ein Fächer vom Schloss aus entspannten. Der Film gibt Einblicke in die barocke Stadtplanung, Architektur und Ingenieurskunst und geht dem barocken Ideal der „dressierten“ Natur nach. In Rekonstruktionen und Spielszenen vermittelt er auch das besondere Lebensgefühl an den absolutistischen Höfen.
Bei einem Experiment kommen wir dem Geheimnis des Stuckmarmors auf die Spur: Mit diesem „Scheinmarmor“ wollten Barockbaumeister die Natur nachempfinden, aber auch nach ihrem Geschmack „gestalten“.

Das Barock-Experiment SWR Fernsehen

Himmelsbühnen für die Kirchen

„Den Himmel in die Kirche holen“ – so die Aufgabe, der sich Baumeister, Handwerker und Maler im Barock mit Ideenreichtum und großer Kunstfertigkeit hingaben. Aber wie gelangt das Licht des Himmels in die Kirche? Oder zumindest die Illusion davon? Diese Frage beantwortet der Film unter anderem in einem Experiment: Die Straßenmalerinnen Vanessa und Lydia Hitzfeld nutzen die im Barock so beliebte optische Täuschung („trompe l’œil“) für ihre Street-Art und zeigen, nach welchen Prinzipien sie funktioniert. Auf dem Vorplatz des barocken Klosters Bad Schussenried stellen sie sich ihrer Aufgabe: Sie sollen die fiktive Unterwelt des Klosters auf das Pflaster malen.
Die Kirchen und Klöster an der Oberschwäbischen Barockstraße – wie das Kloster Bad Schussenried – sind Inbegriff der Gegenreformation. Ganz bewusst setzten die Baumeister und ihre katholischen Auftraggeber auf Prunk und Reichtum im Kirchenraum – als Antithese zum Puritanismus der Reformatoren. Die prächtige Architektur mit ihren vielfältigen optischen Tricks sollte auch dazu beitragen, die Gläubigen in der katholischen Kirche zu halten oder Skeptiker zurückzugewinnen. Auch deshalb zeigten sich Bischöfe und kirchliche Würdenträger als spendable Mäzene der barocken Baukunst.

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planet schule