Lebensräume · Im Meer | Hintergrund: Wattenmeer

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Autor/in
Gisela Fritz
Strand (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

„Wir fahren ans Meer!“ Viele freuen sich im Sommer auf den Urlaub am Meer. Und los geht es an die Nordsee. Man kann das Meer schon riechen, springt aus dem Auto, über die Dünen, hinunter an den Strand. Doch – wo ist denn das Wasser? Es breitet sich eine große, schlammige Fläche vor einem aus. Es ist Ebbe, und das Wasser hat sich aus den flachen Küstenbereichen zurückgezogen und hinterlässt nun das freiliegende Watt. Es ist durchzogen von Wasserkanälen, den Prielen, in denen das Wasser während der Ebbe und Flut zum Ufer hin- oder weggespült wird. Auch wenn das Watt auf den ersten Blick sehr öde aussieht, bietet es zusammen mit den Dünen und Stränden am Ufer einen enorm produktiven und wichtigen Lebensraum für viele Muscheln, Krebse, Fische, Vögel und Säugetiere.

Die Entstehung

Priele (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

Das Wattenmeer der Nordsee ist durch den Anstieg des Meeresspiegels nach der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren entstanden. Früher war hier Festland, das nun bei Flut überschwemmt wird und bei Ebbe trocken fällt. Etwas höher gelegene Flächen wurden zu Inseln. Das Nordsee-Wattenmeer, der Küstenabschnitt zwischen Den Helder in den Niederlanden und Esbjerg in Dänemark, ist auf der ganzen Welt einzigartig. Obwohl die Erdoberfläche zum größten Teil mit Ozeanen bedeckt ist und es sehr viele Küstenlinien gibt, hat sich, zumindest von seiner Ausdehnung her, nirgendwo anders ein ähnlicher Lebensraum gebildet. Diese Einzigartigkeit entstand durch das Zusammenspiel einiger seltener Gegebenheiten:

  • Im Gegensatz zu den meisten Küstengebieten fällt der Meeresboden nicht steil ab. Die Neigung zum offenen Meer hin ist weniger als ein Meter pro Kilometer. Das bedeutet auch, dass selten starke Wellen an die Ufer schlagen und Sedimente forttragen. Hier kann sich das feine vom Meer mitgetragene Material absetzen und anhäufen.
  • Viele Flüsse fließen vom Binnenland in das Wattenmeer und bringen feine Sand- und Tonpartikel mit, die sich vor allem in den Mündungsbereichen ablagern. Zu diesen Flüssen gehören z.B. die Ijssel (Niederlande) und die Weser, Ems und Elbe (Deutschland).
  • Die Gezeiten im Wattenmeer haben einen Tidenhub (Höhenunterschied zwischen Ebbe und Flut) von zwei Metern. Da das Meer relativ flach ist, werden weite Teile während der Ebbe trocken gelegt. Der landeinwärts wehende Wind kann die oberen Schichten trocknen und z. T. auch abtragen.
  • Vor der Festlandküste erstrecken sich über weite Teile mehrere Inselketten:

    • Westfriesische Inseln vor den Niederlanden: Schiermonnikoog, Terschelling, Ameland, Vlieland, Rottumeroog, Texel
    • Ostfriesische Inseln vor Deutschland: Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog, Wangerooge
    • Nordfrische Inseln vor Deutschland: Sylt, Föhr, Pellworm, Amrum
    • Dänische Inseln: Rømø, Mandø und Fanø

Diese vorgelagerten Inseln sowie zahlreiche Sandbänke sind natürliche Wellenbrecher, die das Küstenland vor Erosion schützen und ermöglichen, dass sich durch Flüsse herangetragene Materialien absetzen können und nicht sofort ins offene Meer hinausgespült werden.

Ähnliche Gebiete

Obwohl das Wattenmeer als solches einzigartig ist, gibt es ähnliche Lebensräume weltweit. Meist sind diese Gebiete jedoch kleiner, und es fehlen ihnen bestimmte Eigenschaften. Was sie aber gemeinsam haben: Sie sind flach, es erfolgen starke Sedimentablagerungen, sie fallen während den Ebbzeiten trocken und sind vor starken Wellen geschützt. Zu diesen Gebieten gehören z. B.:

  • Mont Saint Michel an der Atlantikküste in Frankreich und St. Michael's Mount an der Südküste Englands
  • Saemangeum in Korea war das zweitgrößte Wattenmeer der Welt (400 qkm) bis 2006 ein Damm fertiggestellt wurde, der Teile des Wattenmeeres landwirtschaftlich und industriell nutzbar machen sollte. Ein Jahr später war ein Großteil der Wattflächen trockengefallen oder dauerhaft überflutet.
  • Kleine Gebiete in den USA, in Irland und Japan (z.B. Humboldt Bay, Kalifornien)

Auch in den Tropen gibt es ähnliche Gebiete, allerdings werden die trockenfallenden Flächen dort schnell von Mangroven überwachsen, und es entsteht ein andersartiger Lebensraum. Das Wattenmeer, wie wir es von der Nordsee her kennen, kann sich nur in gemäßigten Zonen entwickeln.

Die verschiedenen Lebensräume

Sandbänke (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

Das Wattenmeer erstreckt sich über 500 km von den Niederlanden bis nach Dänemark. Es ist meist mehr als 10 km breit und mit einer Gesamtfläche von 8.000 km2 der größte Lebensraum seiner Art weltweit und, zusammen mit den Alpen, eine der größten zusammenhängenden Naturlandschaften Europas. Zum Ökosystem Wattenmeer gehören neben dem periodisch trocken fallenden Watt auch die Salzwiesen und Dünen an den Küsten sowie die Inseln der Nordsee.

Das Watt

Das Watt fällt, durch die Gezeiten bedingt, zweimal am Tag trocken und wird wieder überflutet. Ein Rinnensystem aus Prielen, Baljen und Seegats sorgt für die Entwässerung in einem Gebiet, das sich wie ein Mosaik aus Gebieten mit unterschiedlichen Materialtypen und unterschiedlichen geographischen Lagen zusammensetzt. Bei den Materialtypen unterscheidet man Schlickwatt, Sandwatt und Mischwatt.

1. Schlickwatt ist sehr feines Sediment mit einer durchschnittlichen Korngröße von 0,06 mm. Wo das Wasser sehr geringe Bewegungsenergie aufweist, kann sich dieser feine Schlick ablagern. Normalerweise findet man Schlick v. a. in Landnähe. Charakteristisch ist die schwarzglänzende Farbe. Man kann sehr schlecht darauf laufen, weil man tief einsinkt.

2. Sandwatt findet man in Gebieten mit starken Wasserbewegungen, denn hier können sich nur schwerere Sedimente mit größeren Korngrößen von über 0,1 mm ablagern. Die starken Wasserströmungen - und somit das Sandwatt - findet man vor allem in und um das Rinnensystem. Erkennen kann man Sandwatt an der typischen Rippenstruktur. Es ist relativ fest und gut begehbar.

3. Das Mischwatt findet man in der Übergangszone zwischen Sand- und Schlickwatt. Die Korngröße liegt zwischen 0,1 und 0,06 mm.

Physikalische Besonderheiten

Ein Lebensraum, der zwei Mal täglich trocken fällt und dann wieder geflutet wird, bietet schwierige Lebensbedingungen. Viele Faktoren werden von dem ständigen Ebbe-Flut-Wechsel stark beeinflusst. Dazu gehören z. B. der Salzgehalt des Wassers, die Temperatur, der Sauerstoffgehalt des Bodens und die Nährstoffverteilung.

1. Der Salzgehalt des Wassers im Watt ist dem der Nordsee ähnlich und entspricht 25‰ bis 30‰. Allerdings kann der Gehalt, besonders in den kleinen Restwasserpfützen während der Ebbe, stark schwanken. Bei Regen wird das Salzwasser stark verdünnt, oftmals auf nur noch 10‰ Salzgehalt. Bei starker Sonneneinstrahlung hingegen verdunstet viel Wasser und der Salzgehalt steigt stark an oder es entstehen im Extremfall Trockenrisse und Salzkrusten. Auch im Winter, bei Eisbildung, kann der Salzgehalt im Restwasser steigen.

2. Marine Lebensräume bieten normalerweise relativ stabile Temperaturen, die sich nur langsam im Laufe des Jahres verändern. Im Watt ist dies durch das Trockenfallen während der Ebbe anders. Der dunkle Schlick kann im Frühjahr durch Sonneneinstrahlung auf über 20°C erhitzt werden, während das Meerwasser nur 5°C aufweist. Lebewesen müssen sich also auf extreme Temperaturschwankungen einstellen.

3. Durch Wasserbewegungen wird Sauerstoff im Boden angereichert bzw. erneuert. Allerdings kann sich zwischen feinen Partikeln, wie zum Beispiel im Schlickwatt, nur sehr wenig Sauerstoff einlagern und der Boden ist schon nach wenigen Millimetern bis Zentimetern sauerstoffarm. Die schwarze Färbung von Schlick ist auf Eisensulfid zurückzuführen - Ergebnis einer Reaktion aus Eisen und Schwefelwasserstoff, die bei Sauerstoffmangel abläuft. Der Schwefelwasserstoff ist auch der Grund, warum der schwarze Schlick oft nach faulen Eiern riecht.

Sandhäufchen (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Sandhäufchen im Watt.

Tiere im Watt

Da die Lebensbedingungen im Wasser des Watts sehr unstet sind und die Organismen ständig großen Schwankungen in ihrer Umwelt unterworfen sind, haben sich viele Tiere auf ein Leben im Wattboden spezialisiert. Hier sind ihre Lebensbedingungen moderater, und sie sind etwas besser vor Fressfeinden geschützt. Dazu mussten sie sich aber auch an die Probleme der Sauerstoffversorgung und den Umgang mit giftigem Schwefelwasserstoff anpassen. Zwei Tiergruppen, Muscheln und Würmer, die den Hauptanteil an Wattbewohnern ausmachen, haben diese Probleme auf unterschiedliche Weise gelöst:

Viele der Muschelarten im Watt besitzen eine Art "Schnorchel", den Siphon, den sie aus dem Boden ragen lassen, während ihr übriger Körper unter der Oberfläche verborgen bleibt. Mit ihm können sie sauerstoff- und nahrungshaltiges Wasser einsaugen und das verbrauchte Atemwasser abgeben. Der Siphon wird manchmal von Watvögeln abgebissen. Steckt die Muschel selbst aber tief genug im Watt, ist sie vor den hungrigen Schnäbeln geschützt und der Siphon wächst wieder nach.

Würmer legen Wohnröhren an, in die sie ständig Frischwasser hineinpumpen. Durch das Durchspülen mit sauerstoffreichem Wasser wird der giftige Schwefelwasserstoff zum ungiftigen Sulfat oxidiert.

Außer Muscheln und Würmern trifft man noch weitere Tiergruppen im Watt an, darunter verschiedene Krebse. Gräbt man im Watt ein tiefes Loch, findet man verschiedene Lebewesen wie in Etagenwohnungen auf unterschiedlichen Ebenen. Die erste Etage geht bis zu 10 cm in den Boden. Hier leben Wattschnecken (Hydrobia ulvae), Schlickkrebse (Corophium volutator), Herzmuscheln (Cerastoderma edule), Plattmuscheln (Macoma baltica) und Seeringelwürmer (Nereisvirens und N. diversicolor). Tiefer im Watt leben Pfeffermuscheln (Scorbicularia sp.), Bäumchenröhrenmuscheln (Lanice conchilega), Sandklaffmuscheln (Myaarenaria) und die Sandpierwürmer (Arenicola marina). All diese Tiere ernähren sich hauptsächlich von kleinen Algen, die entweder auf und im Watt leben oder mit der Flut im Meerwasser herangetragen werden.

Doch nicht nur in den kleinen Muscheln, Krebschen und Würmern im Watt spiegelt sich die Produktivität des Watts wider. Krebse, Jungfische und Vögel bedienen sich an dem reich gedeckten Tisch. Das Watt dient für viele Fische als Aufzuchtstation oder "Kindergarten" für ihre Jungfische, darunter Scholle (Pleuronectes platessa) und Seezunge (Solea solea). Viele Zugvögel nutzen das Watt als Zwischenstopp und "Auftankmöglichkeit" auf ihrem Weg in den Süden oder Norden, z.B. Brachvogel (Numenius arquata), Kampfläufer (Philomachus pugnax) und Ringelgans (Branta bernicla). Bekannte Tiere des Watts sind auch der Seehund (Phoca vitulina), die Strandkrabbe (Carcinus maenas) und der Austernfischer (Haematopus ostralegus).

Leuchtturm (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

Salzwiesen

Die ufernahen Salzwiesen und Verlandungszonen liegen etwas höher als das Watt. Daher werden sie nicht mehr täglich überflutet, und es erfolgt mehr Sedimentation als Erosion. Sie bilden somit die Verbindung zwischen Watt und Festland. Zu den charakteristischen Pionierpflanzen, die sich hier ansiedeln, zählen der Queller (Salicornia europaea) und das Schlickgras (Spartina townsendii). Salzwiesenpflanzen haben sich mit unterschiedlichen Mechanismen dem Problem des hohen Salzgehaltes angepasst. Einige Pflanzen, wie z.B. das Schlickgras, besitzen spezielle Drüsen, mit denen sie das aufgenommene Salz wieder ausscheiden. Andere speichern das Salz, bis sie es mit Wasser verdünnen können. Der Queller besitzt z.B. solch ein Speichersystem. Salzwiesen sind wichtige Brut- und Nährgebiete für Vögel und das Zuhause von bis zu 2.000 Insektenarten.

Es gibt vier Bereiche in den Salzwiesen, die sich durch ihre Lage und somit in der Überflutungshäufigkeit in untere, mittlere, obere und höchste Bereiche unterscheiden lassen. Jede dieser Zonen besitzt eine andere Kombination von Faktoren wie Verdunstung, Wärme, Salzgehalt, Wind sowie Versandung und Süßwasservorkommen. Das wirkt sich auf die Artenzusammensetzung aus:

Im unteren Bereich findet man hauptsächlich Andel (Pucinella maritima), Strandflieder (Limonium vulgare), Strandaster (Aster triplium) und Strandbeifuß (Artemisia maritima). Im mittleren und oberen Bereich sind Pflanzen wie Strandwegerich (Plantago maritima), Stranddreizack (Triglochin maritimum), Strandgrasnelke (Ameria maritima) und die Spießblätterige Melde (Atriplex protrata) angesiedelt. Der höchste Bereich ist meistens schon der Deich mit verschiedenen Süßgras- und Kleearten.

Küste (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

Strand

Wasserbewegung und Wind lagern in der Zone zwischen Niedrigwasser und Dünenfuß größere Partikel ab. Diese sind ständig in Bewegung, werden hin- und hergeschoben, bei größeren Stürmen abgetragen und anderswo wieder angelagert. Da sich der Sand also nie in Ruhe befindet, gibt es hier nicht viele Pflanzen. Auch größere Tiere kommen höchstens im tieferen, feuchteren Sand oder im feuchten Treibgut vor. Zu ihnen gehört zum Beispiel der Gemeine Sandfloh (Talitrus saltator). Dafür gibt es sehr viele Sandlückenbewohner (interstitielle Organismen). Diese oft mikroskopisch kleinen Tiere haben sich hervorragend an das Leben im Porenraum des Sandes angepasst. Viele Tiergruppen sind hier vertreten. Zum Beispiel findet man Schnecken (Microhedyle sp.), Vielborstenwürmer (Psammodrilus sp.) oder Bärtierchen (Tanarctus sp.). Einige Vogelarten bauen ihre Nester ungeschützt auf dem Strand, wie zum Beispiel Sandregenpfeifer. Ihre Eier sind farblich dem Sand angepasst und gut getarnt.

Dünen auf denen Strandhafer wächst. (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)

Dünen

Wie auch der Strand sind Dünen kein stabiler Lebensraum. Allerdings werden die Dünen nicht so sehr hin- und herbewegt wie der Sand der Strände. Der Sand, der über dem mittleren Hochwasser angelagert wird, trocknet und wird vom Wind weggeweht. Er lagert sich dann hinter kleinen und großen Hindernissen an. Dieser Sand ist sehr nährstoffreich aber auch salzig. Daher können hier nur salzresistente Pflanzen wachsen. Die Wurzeln dieser Pflanzen verhindern, dass der Sand fortgetragen wird, und zugleich lagert sich zwischen den Pflanzen mehr Sand an. Je mehr Sand sich anlagert, desto mehr Pflanzen können wachsen und desto höher werden die Dünen. Pflanzen, die hier wachsen, müssen mit Trockenheit und bei sommerlicher Mittagssonne auch mit großer Hitze fertig werden. Strandhafer, Strandroggen und Stranddistel wachsen hier. Vögel nisten gerne in den Dünen, so zum Beispiel Brandgänse und Möwen.

Helgoland (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Helgoland

Inseln

Die dem Wattenmeer vorgelagerten Inseln sind aus höher gelegenen Flächen der eiszeitlichen Küste hervorgegangen. Das später eindringende Wasser des Atlantiks überflutete die dahinter liegenden tieferen Teile und schnitt die Inseln so vom Festland ab. Die Nordfriesischen Inseln sind seit ca. dem 8. Jahrhundert besiedelt, die Ostfriesischen Inseln scheinen nach Ausgrabungsfunden und wenigen Textinformationen erst im 13. oder 14. Jahrhundert besiedelt worden zu sein. Heutzutage bilden die Inseln eines der wichtigsten Urlaubsziele Deutschlands.

Auf den Inseln findet man ähnliche Lebensräume wie an der Küste: Dünen, Sandstrände und - an der dem Festland zugewandten Seite - Watt. Dem offenen Meer zugewandte Strände sind sogenannte Hochenergie-Sandstrände, da hier die Wellen ungebremst aufs Ufer treffen. Hochenergiestrände zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur wenige große Tiere und keine Pflanzen beherbergen. Die Wurzeln der Pflanzen können sich hier nicht festhalten und würden weggespült. Dafür beherbergen diese Strände eine eigene Tierwelt in den Zwischenräumen des Sandes, die sich in Körperformen, Haltevorrichtungen und in der Fortpflanzung dem bewegten und sich ständig verändernden Lebensraum Strand angepasst haben.

Eine besondere Form der Inseln sind die Halligen. Diese nicht befestigten, nicht eingedeichten Inseln, die bei Sturmflut auch einmal "Land unter" sind, liegen vor der Küste Schleswig-Holsteins und Dänemarks. Eine Hallig, im Gegensatz zu einer Insel, speichert auch kein Regenwasser. Die Gebäude wurden auf mit Erde aufgeschütteten Erhöhungen (Warften) gebaut, damit sie bei Sturmflut nicht überschwemmt werden. Regenwasser wurde gesammelt, damit Süßwasser zur Verfügung stand. Heute gibt es natürlich eine Wasserversorgung vom Festland aus. Die Halligen sind 10 bis 956 ha groß und Reste von Festlandhügeln, die mit der Zeit überspült und abgetragen wurden. Die Menschen auf den Halligen leben hauptsächlich vom Küstenschutz, dem Tourismus und der Viehzucht, da die häufig überschwemmten Salzwiesen hervorragende Weiden sind.

Probleme

Obwohl das Wattenmeer ständigen Veränderungen durch Wind und Wasserbewegungen unterliegt, ist es doch ein sehr sensibler Lebensraum, der anfällig ist für vom Menschen verursachte Veränderungen.

Wattlandschaft (Foto: SWR - Screenshot aus der Sendung)
Die Wattlandschaft

Menschliche Nutzung

Schon vor der Bronzezeit siedelten sich Menschen auf Feuchtwiesen in Meeresnähe an. Sie nutzten die fruchtbaren Gegenden zur Jagd und zum Feldbau. Während der Bronzezeit begann man diese Gebiete zu verändern. Holz wurde in den höher gelegenen Gegenden geschlagen, Gräben gezogen und Erhöhungen für die Wohnungen gebaut. Im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus begannen die Menschen, Siedlungen knapp über der Hochwasserlinie zu bauen. Entwässerungskanäle wurden angelegt und Deiche errichtet.

Das Erscheinungsbild der Küsten hat sich später noch grundlegender gewandelt. Erst in der Neuzeit wurden die Deiche so stabil gebaut, dass sie auch starken Stürmen standhalten konnten. Großangelegte Entwässerungskanäle sorgten dafür, dass sich der Grundwasserspiegel senkte. Die angelegten Getreidefelder vertrieben viele heimische Tiere und Pflanzen. Zudem wurde gezielt Landgewinnung betrieben sowohl auf dem Festland als auch auf den Inseln und Halligen. Auch die Nutzung der küstennahen Gewässer veränderte sich mit der Zeit. Wurde anfangs nur von der Küste aus gefischt, wurden nach und nach bessere Boote und Fangtechniken entwickelt, und die Fischer konnten immer weiter hinausfahren. Moderne Fischmethoden ermöglichen es, Fische im Freiwasser und am Grund in großen Mengen abzufischen. Zudem wurde nicht nur gefischt, was das Meer hergab, sondern man begann in angelegten Farmen zum Beispiel Miesmuscheln zu züchten. Der starke Fischereidruck hat über die Jahrhunderte seine Spuren in der Nordsee hinterlassen. Fische, Schalen- und Krustentiere gingen zurück.

Die direkte Nutzung von Ressourcen wurde ab dem 19. Jahrhundert durch einen weiteren wichtigen Faktor ergänzt: Tourismus. Das Wattenmeer ist ein großes Ferienziel. Viele Touristen wollen die Schönheiten des Naturparks bewundern, unter kundiger Führung eine Wattwanderung machen, baden, sonnen, Sandburgen bauen. Der riesige Andrang an Touristen ist allerdings eine Belastung für das sensible Ökosystem Wattenmeer. Das Betreten der Dünen und Sandbänke gefährdet brütende Vögel und Seehunde. Es gibt kaum noch Strände, die nicht als Badestrände genutzt werden. Der Nationalpark versucht, durch die Einrichtung von abgesperrten Ruhe- und Schutzzonen die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen.

Neben dem Freizeit- und Erholungsfaktor schätzt man schon lange auch die gesundheitsfördernde Wirkung des Nordseeklimas. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden vor allem Tuberkulosepatienten an die Küste geschickt, um in der frischen Seeluft diese Lungenkrankheit auszukurieren. Noch heute gibt es viele Kur- und Heilkliniken an der Küste. Ein zunehmender Trend "Wellness": Sich wohlfühlen, erholen und gesünder werden. Besonders beliebt sind unter anderem Schlickpackungen. Der Schlick des Wattenmeers enthält gesunde Mineralstoffe. Kalt oder warm angelegt helfen die Packungen gegen Rheuma, Muskelverspannungen und Arthrose.

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Gisela Fritz