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Zur Geschichte Vietnams:

Im dritten Jahrhundert vor Christus entstand mit Au Lac der erste geschichtlich belegte Reichsverband auf vietnamesischem Boden. Die Hauptstadt des Reiches war Co Loa und lag nördlich des heutigen Hanoi. 207 v. Chr. eroberte der chinesische General Trieu Da, der abtrünnige Gouverneur der südchinesichen Provinz Nanhai, das Reich der Lac. Das vietnamesische Gebiet wurde einem vom chinesischen Kaiser unabhängigen Reich angeschlossen, das der General "Nam Viet", Land im Süden, nannte. 111 v. Chr. wurde Nam Viet durch die chinesische Han-Dynastie erobert.


Ein altes Gebäude auf einer kleinen Insel inmitten eines Flusses

Bis zum Jahr 938 n. Chr. stand das Land unter chinesischer Oberherrschaft, die von einer radikalen Sinisierung geprägt war. Die chinesische Sprache, Schrift und Kultur wurde etabliert. Die Eroberer blickten auf die Einheimischen herab, die sich die Zähne schwarz färbten, Betel kauten und ihre Körper tätowierten. Ähnlich wie nach der Eroberung durch General Trieu wurden die lokalen Machthaber weitestgehend in ihren Ämtern belassen, wodurch sich an den politischen Strukturen wenig änderte.


Als um die Jahrtausendwende Wang Mang in Peking die Han vom Thron stürzte und sich selbst zum Kaiser erhob, wurde die neue Provinz Giao Chi, das Land der Barfüßigen, wie es die Chinesen nannten, zum Zufluchtsort für viele chinesische Beamte und Gelehrte.


Zwischen 40 und 43 n. Chr. regierte der Lac-Adel wieder das Land, nachdem er unter der Führung der Schwestern Trung Trac und Trung Nhi den chinesischen Gouverneur besiegt hatte. 43 n. Chr. konnte die wiedererstarkte Han-Dynastie das Land zurückerobern. Die beiden Trung-Schwestern stürzten sich, der Legende nach, in den Roten Fluss und wurden zu den ersten Heldinnen der vietnamesischen Geschichte. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurde die radikale Sinisierung der Provinz vorangetrieben und ein zentrales und effizientes Verwaltungssystem eingeführt. Der Lac-Adel verlor weitgehend seine Macht. Die Einfuhr chinesischer Techniken in der Landwirtschaft verbesserte die Ernteerträge.


Ein Adeliger mit vier Wächtern

Während der intensiven Kolonisierung unter der Trang-Dynastie zwischen 618 und 907 n. Chr. kam es in der in Annam, was soviel wie befriedeter Süden bedeutet, umbenannten Provinz immer wieder zu vereinzelten Aufständen. Anfang des 10. Jahrhunderts zerfiel das chinesische Reich nach dem Untergang der Trang-Dynastie in zehn Königreiche.


Unter Ngo Quyen, der später zum ersten König des unabhängigen Vietnam wurde, konnten die Chinesen 938 besiegt werden. Ngo Quyen siegte mittels einer Kriegslist. Er lockte die schweren Dschunken der Chinesen in das mit Pfählen präparierte Delta des Flusses Bach Dang, wo sie sich bei einsetzender Ebbe verfingen und zu einer leichten Beute für die Vietnamesen wurden. Die ersten Jahrzehnte nach der Erlangung der Unabhängigkeit waren von Auseinandersetzungen um die Nachfolge des früh verstorbenen Ngo Quyen bestimmt.


Erst unter dem ersten König der Ly-Dynastie, Ly Thai To, gelang es im 11. Jahrhundert eine effiziente Verwaltung mit einer einheitlichen Gesetzgebung und einem stehenden Heer aufzubauen. Ly Thai To verlegte die Hauptstadt nach Thang Long, dem heutigen Hanoi und legte mit einer Reihe von Maßnahmen den Grundstein für die Entstehung einer zentralistischen wehrhaften Monarchie. Eine dieser Maßnahmen war die Errichtung des Literatur-Tempels in Hanoi. Dort wurden für Jahrhunderte die Prüfungen für die gelehrten Berufsbeamten, die Mandarine, durchgeführt. Es entstand ein kulturell und wirtschaftlich hochstehendes Reich, dem es im 13. Jahrhundert sogar gelang, die bis dahin als unbesiegbar geltenden Mongolen dreimal abzuwehren. Die Bevölkerung des Landes wuchs stetig. Als immer häufiger Hungersnöte auftraten, begann im 10. Jahrhundert der Aufbruch der Vietnamesen nach Süden.


Während der folgenden 700-jährigen Ausdehnung des Reiches bis zum Mekong-Delta kam es immer wieder zu Kämpfen mit den seit dem 4. Jahrhundert in Zentral-Vietnam ansässigen Cham, einem Seefahrervolk und einer bedeutenden Handelsmacht. Im Gegensatz zu den konfuzianischen Dai Viet des Nordens war die Weltsicht der indisierten Cham vom Hinduismus bestimmt. 1471 fiel die Hauptstadt der Cham, Vijaya.


Der Feldherr Le Loi, kampfbereit mit gezücktem Schwert

Zwischen 1408 und 1428 geriet Vietnam erneut unter chinesische Oberherrschaft während der Ming-Dynastie. 1428 siegte der Feldherr Le Loi über die Chinesen mit der gleichen List wie einst Ngo Quyen. Im 17. Jahrhundert gründen die ersten Europäer Handelsniederlassungen im Land. Zwischen 1627 und 1671 tobte ein heftiger Bürgerkrieg als Folge von Streitigkeiten zwischen zwei Fürstengeschlechtern. 1671 wurde Dai Viet entlang des Flusses Giang in ein nördliches und ein südliches Reich gespalten. 1674 wurde Saigon gegründet, das sich schnell zur bedeutendsten Handelsstadt im Süden entwickelte.


Im 18. Jahrhundert stürzte ein 30-jähriger Bürgerkrieg das Land in eine tiefe Krise. 1802 etablierte sich das vereinigte Kaiserreich Vietnam. Immer mehr wurden jedoch die Kaiser der Nguyen-Dynastie im 19. Jahrhundert zu Erfüllungsgehilfen der französischen Kolonialherren, die 1858 erste Truppen ins Land entsandt hatten und Vietnam 1883 zum französischen Protektorat ernannten. Landesweit regte sich unter der Führung der Kommunisten Widerstand gegen die koloniale Unterdrückung. Während des zweiten Weltkrieges stürzten die Japaner die französische Verwaltung. Als die japanischen Truppen 1945 kapitulierten, rief der Führer der kommunistischen Partei, Ho Chi Minh, am 2.9.1945 die Demokratische Republik Vietnam aus.


Französische Soldaten mit Flagge

Mit der Bombardierung des Hafens von Haiphong durch französische Truppen begann 1946 der erste Indochina-Krieg. Der Krieg und die französische Kolonialherrschaft in Indochina endeten am 7.5.1954. Die Genfer Friedenskonferenz teilte das Land entlang des 17. Breitengrades.


Im Norden regierten die Kommunisten unter Ho Chi Minh, im Süden etablierte sich mit amerikanischer Unterstützung der Katholik Ngo Dinh Diem. Er erklärte den Katholizismus zur Staatsreligion und weigerte sich die im Genfer Frieden vereinbarten freien Wahlen abzuhalten. Gegen seine Regierung formierte sich die süd-vietnamesische Befreiungsfront NFL, die mit Hilfe der nord-vietnamesischen Kommunisten weite Teile des Südens unter ihre Kontrolle brachten. Ausgelöst durch einen von den Amerikanern provozierten Zwischenfall im Golf von Tongking begann 1964 der Vietnam-Krieg. Der Einsatz von über 500.000 amerikanischen GIs, massive Flächenbombardements, der massenhafte Einsatz des giftigen Entlaubungsmittels Agent Orange und die unglaubliche Brutalität, mit der in diesem Krieg gekämpft wurde, vermochten es dennoch nicht, den vietnamesischen Widerstand zu brechen.


Während des Krieges wurden über Vietnam mehr Bomben abgeworfen als im gesamten Zweiten Weltkrieg. Der Krieg in Vietnam rückte vor dem Hintergrund des Kalten Krieges immer mehr in den Mittelpunkt des internationalen Interesses. Für die Studentenbewegungen der 60er Jahre war er ein Sinnbild für Unterdrückung und Imperialismus.


Amerikanische Soldaten mit vietnamesischen Gefangenen

Bilder über die Grausamkeiten des Krieges gingen um die Welt und erschütterten nicht nur die amerikanische Bevölkerung. Zum Wendepunkt des Krieges wurde die Tet-Offensive im Frühjahr 1968. Den Truppen der demokratischen Republik Vietnam und der NFL gelang es am 31.1.1968 über 60 Städte im Süden zu erobern. Die Berichterstattung über die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Saigon lies das Meinungsbild in der amerikanischen Öffentlichkeit kippen. Trotz der breit angelegten Gegenoffensive der Amerikaner, die der NFL eine vernichtende Niederlage einbrachte, waren die innenpolitischen Rufe in den USA nach einer baldigen Beendigung des Krieges nicht mehr aufzuhalten.


Wenig später sorgten die Meldungen über das Massaker von My Lai, bei dem amerikanische Soldaten über 500 Männer, Frauen und Kinder ermordeten, für Schlagzeilen in der Weltpresse. Der amerikanische Präsident Johnson befahl die sofortige Einstellung der Bombardierungen unter dem Druck der Anti-Kriegs-Demonstrationen. Sein Nachfolger im Amt, Richard Nixon, versprach den Krieg auf dem schnellsten Weg zu beenden. Die US-Streitkräfte zogen sich teilweise nach dem Amtsantritt Nixons Mitte 1969 allmählich aus Vietnam zurück. Mit milliardenschwerer Finanzhilfe wurde gleichzeitig die süd-vietnamesische Armee aufgerüstet. In den folgenden Jahren weitete sich der Krieg auch auf die Nachbarländer Laos und Kambodscha aus.


Zu einer letzten schweren Eskalation kam es, als Nixon im Dezember 1972 die bis dahin schwersten Bombenangriffe auf Nordvietnam befahl. Nixon wollte damit den Druck auf die Vietnamesen bei den gerade stattfindenden Waffenstillstandsverhandlungen erhöhen. Am 27.1.1973 unterzeichneten die Außenminister der USA und Nordvietnams das Pariser Waffenstillstandsabkommen. Im März 1973 zogen die letzten GIs aus Vietnam ab. Die Nordvietnamesen antworteten mit einer breit angelegten Offensive gegen das bis dahin einzig durch amerikanische Finanzhilfe am Leben erhaltene Regime des südvietnamesischen Präsidenten Thieu.


Am 2.7.1976 wurde die Sozialistische Republik Vietnam mit der Hauptstadt Hanoi gegründet. Zwischen 1976 und 1986 trieben Kollektivierung und Enteignungen Hunderttausende, vor allem Exilchinesen, zur Flucht. Die "boat people" rückten Vietnam wieder in den Mittelpunkt der Weltpresse. Wegen der Vertreibung der Auslandschinesen verweigerte China den Vietnamesen weitere Wirtschaftshilfe, die das Land zur Beseitigung der verheerenden Kriegsfolgen dringend benötigte. Die vietnamesische Regierung schloss in Folge dessen eine Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion ab. Als vietnamesische Truppen wenige Wochen später die Grenze zu Kambodscha überschreiten und den von den Chinesen unterstützten Präsidenten Pol Pott und seine Roten Khmer absetzten um dem Premierminister Hun Sang an die Macht zu verhelfen, war damit die weitgehende außenpolitischen Isolation Vietnams besiegelt.


Kriegsschäden, außenpolitische Isolation und zehn Jahre Planwirtschaft ließen Vietnam bis 1986 in eine tiefe wirtschaftliche Krise sinken. Auch mit den Folgen der langen Teilung hat das Land zu kämpfen. Der Zusammenbruch des bis dahin größten Geldgebers, der Sowjetunion, zwang die vietnamesische Führung zu einem wirtschafts- und außenpolitischen Kurswechsel.

Ein Frachtschiff auf einem Fluss

Der 6. Parteitag beschloss 1986 unter dem Motto "Doi Moi", zu deutsch "Erneuerung", weitreichende Reformen. Die vietnamesische Variante der sowjetischen Perestroika zeigte bald Wirkung. Heute hat das Land ein jährliches Wirtschaftswachstum von 10%.


1989 zogen sich die vietnamesischen Truppen aus Kambodscha zurück, was zu einer Verbesserung der Beziehungen zu den asiatischen Nachbarn und auch zu den USA beitrug. 1995 hob der amerikanische Präsident Clinton das seit Kriegsende bestehende Wirtschaftsembargo gegen Vietnam auf und 1997 entsandten die USA wieder eine diplomatische Vertretung. 1996 trat Vietnam dem ASEAN-Bund, dem bedeutendsten wirtschaftlichen und politischen Bündnis in Asien bei.


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