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Sepak Takraw - die Entstehung

Sepak Takraw Spieler auf dem Spielfeld

Auf einem Badmintonfeld spielen zwei Teams mit je drei Männern einen kleinen, aus Bändern geflochtenen Ball über das Netz, dabei benutzen sie die Körperteile, die beim Fußball zum Einsatz kommen. Die Regeln und der Spielhergang erinnern an Volleyball - es wird aufgeschlagen, gestellt, der Ball darf nicht den Boden berühren. Nun muss man nur noch die Geschwindigkeit dieser drei Sportarten addieren, und man hat bereits eine recht gute Vorstellung von Sepak Takraw, was übersetzt soviel heißt wie "den Ball kicken". Wie kam es zu dieser fantasievollen Kombination?


Sepak Raga in Malaysia

Der erste Eindruck täuscht: Eigentlich handelt es sich bei Sepak Takraw nicht um eine Kombination europäischer Sportarten, sondern um die Weiterentwicklung eines jahrhundertealten südostasiatischen Spiels.


Der genaue Ursprung von Takraw lässt sich schwer fassen. In Japan wurde z.B. seit dem siebzehnten Jahrhundert ein ähnliches Spiel namens "Kemari" gespielt, auch in SüdzentralChina gab es einen ähnlichen Sport. Doch es finden sich auch Entsprechungen in Thailand, Singapur, Burma und den Philippinen. Der heutige Name "Sepak Takraw" ist eine Kombination aus dem malaiischen "Sepak" für "kicken" und dem thailändischen "Takraw" für "Ball". Jedes der Länder, in denen heute Takraw gespielt wird, erhebt einen gewissen Anspruch darauf, sein Geburtsort zu sein, ohne jedoch Beweise bringen zu können. Eine deutliche Spur führt jedoch nach Malaysia - dort wurde schon seit dem elften Jahrhundert mit dem kleinen Rattanball gespielt.


Junge Männer spielen Sepak Raga

Bei diesem Spiel namens "Sepak Raga" standen sechs bis sieben Spieler in einem Kreis von etwa 15 Metern Durchmesser und spielten einander den Ball zu. So versuchten sie gemeinsam, einen kleinen gewobenen Rattanball so lange wie möglich in der Luft zu halten. Dabei durften sie alle Körperteile außer Armen und Händen gebrauchen. Dieses Spiel erforderte nur wenig Platz, was wichtig ist, wenn es im Dschungel gespielt werden soll. Das Rattan, das für die Herstellung des Balls gebraucht wurde, war im Überfluss vorhanden. Im Vordergrund standen die Spielfreude und das Gemeinschaftsgefühl der Dorfbewohner. Es wurde mit Vorliebe bei Dorffesten gespielt, um gemeinsam einen neuen Rekord auf zu stellen.


Besonders ernsthaft wurde das Spiel in königlichen Kreisen betrieben: Eine Anekdote berichtet etwa von Sultan Mansur, der den Ball mehr als hundert Mal kicken konnte, bevor er ihn an seine adligen Mitspieler passte. Das dauerte angeblich so lange, dass man in der Zwischenzeit "viele Töpfe Reis" hätte kochen können ...


Von anderen königlichen Spielern wird berichtet, dass sie den Ball über Stunden in der Luft hätten halten können. Wenn man die heutigen Takraw-Spieler beim Match betrachtet, bleibt auch nach Abzug der Übertreibung zur königlichen Lobpreisung noch einiges an Glaubwürdigkeit übrig: Für den jungen Normanizam, der am Anfang seiner sportlichen Karriere steht, sind 2000 Ballberührungen in Folge das normale Pensum für das tägliche Training.


Zwei Frauen bei der Herstellung von Sepak Takraw Bällen aus Rattan

Der Ball, der bei allen Spielen benutzt wurde, ist immer der gleiche: Er wurde aus Rattan, der zähen Faser einer Kletterpalme, hergestellt, indem Streifen sechs- oder fünfeckig miteinander verwoben wurden. Rattan war ein sehr vielfältig genutztes Material, aus dem allerlei Gebrauchsgegenstände gemacht wurden. Obwohl Rattan als pflanzliches Material nicht sehr lange erhalten bleibt, wurden Überbleibsel von gewobenen sechseckigen Teilen gefunden, die darauf hindeuten, dass Rattan bereits in der Steinzeit verwendet wurde. Die Form der Webstücke könnte vor allem auch auf das beträchtliche Alter von Takraw hindeuten. Diese Funde, die im ganzen südostasiatischen Raum gemacht wurden, zeugen ebenso von den verschiedenen Ursprüngen des Spiels wie seine vielfältigen Varianten.


Varianten in anderen Ländern

Sehr viele Varianten findet man in Thailand, wo auch heute noch das Spiel sehr intensiv betrieben wird - Thailand ist der gefährlichste Turniergegner für Malaysia.


In Thailand werden in 5,80 Meter Höhe drei Reifen mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern über den Spielern aufgehängt, durch den sie den Ball befördern müssen. Für gewöhnlich sieben Spieler versuchen nun gemeinsam, den Ball möglichst lange in der Luft zu halten und möglichst häufig durch die Ringe zu bekommen. Je schwieriger die Art des "Kicks", desto mehr Punkte werden dafür vergeben: Ellbogen-, Knie- oder Schulterschüsse zählen mehr als Schüsse mit dem Fuß. Der Schuss, der am meisten zählt, sieht folgendermaßen aus: Der Spieler steht mit dem Rücken zum Ring, springt dann mit beiden Beinen ab und kickt den Ball durch seine zu einem Kreis geschlossenen Arme in den Reifen hinein. Diese Art des Spielens nennt man "Lawd Huang" oder "Hoop Takraw", also Reifen-Takraw, es wird seit den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gespielt.


Ebenfalls in Thailand spielt man "Flag Takraw". Dabei muss der Spieler eine etwa 50 Meter lange Strecke zurücklegen und dabei den Ball in der Luft halten - wieder mit Füßen, Kopf oder Ellbogen. Wem es gelingt, den Ball nicht fallen zu lassen und nicht neben die Spur zu treten, wird Sieger. Dieses Spiel wird gerne bei Dorffesten gespielt.


Eine besonders kuriose Variante ist das "In-Carrying-Takraw". Diese Version erinnert eher an eine Jongleurnummer als an ein Spiel: Ein Spieler fängt und trägt so viele Bälle wie möglich. Dabei darf er sogar seine Zähne benutzen - nur nicht die Hände! Der Rekord liegt übrigens bei siebzehn Bällen.


Auch beim modernen Sepak Takraw erweist sich die thailändischen Spielkultur als nach wie vor sehr kreativ: Die thailändischen Spieler haben eine neue Aufschlagvariante entwickelt, die den Malaien das Gewinnen schwer macht.


Wie wurde Sepak Raga zu Sepak Takraw?

Ein Sepak Takraw Spielfeld mit Spielern von oben

Das Netz, der Court und die kompetitive Form kamen irgendwann in den 20er oder 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ins Spiel. Zu dieser Zeit war Malaysia unter britischer Kolonialherrschaft. Die Briten brachten mit ihrer Kultur natürlich auch ihre Sportarten mit ins Land: Badminton, Tennis, Hockey, Cricket und Golf. Unter jungen Malaien war Sepak Raga jedoch nach wie vor populär - die Sportarten der Briten waren sowieso nur etwas für die gehobeneren Schichten. Dennoch waren sie bekannt, und das muss ein paar junge Männer eines Tages auf die Idee gebracht haben, ihr traditionelles Spiel einmal auf einem Badmintonfeld über das Netz zu spielen. Da lag es nahe, zwei Mannschaften zu bilden, also statt sechs bis sieben Spielern im Kreis nun drei Spieler auf jeder Seite. Es existiert auch eine Anekdote, nach der das Spiel zum ersten Mal während der Feierlichkeiten zum Silberjubiläum George V. gespielt worden wäre und aus diesem Grund "Sepak Raga Jubilee" benannt wurde. Das Spiel wurde in jedem Fall schnell beliebt, da es spannender war und die Sportler wesentlich mehr forderte als das alte Kreisspiel.


Bis zu den international festgelegten Regeln, die heute für alle Turniere gelten, war es allerdings noch ein weiter Weg. Lange Jahre wurde das Spiel in dieser Form mit allerlei unterschiedlichen Regeln gespielt, die von Ort zu Ort variierten. Es sah deswegen nicht danach aus, dass Sepak Takraw sich gegen die zunehmend in Asien Fuß fassenden westlichen Sportarten würde durchsetzen können. Immerhin wurde in Singapur eine Form des Sepak Takraw schon an den Highschools gespielt, und nach dem Krieg wurde ebenfalls in Singapur die erste Sepak-Takraw-Vereinigung gebildet: The Singapore National Body Of Sepak Takraw (PARSES). 1945 fand das erste Turnier in Penang statt, das auf große Begeisterung beim Publikum stieß. PARSES legte 1960 nach langen Verhandlungen zusammen mit neu gegründeten Organisationen in Thailand und Malaysia einheitliche Regeln und den Namen "Sepak Takraw" fest. 1965 wurde die ASTAF gegründet, die Asian Sepak Takraw Federation. Nach einigem Hin und Her wurde Sepak Takraw schließlich 1990 fester Bestandteil der elften Asian Games in Peking. Im Zuge dieser Internationalisierung kam auch die Standardisierung, und der fiel der handgewobene Ball aus Rattan zum Opfer, dessen Maße sich nicht genau festlegen lassen.


Neben den verschiedenen Organisationen der einzelnen Länder gibt es seit 1990 auch eine internationale, die ISTAF, deren Ziel es ist, das Spiel mit groß angelegten Kampagnen bekannt zu machen und schließlich zu erreichen, dass es zur olympischen Sportart wird. Seither gewinnt das Spiel in vielen Ländern stetig an Popularität, z.B. in den USA, Australien, Finnland, Kanada, Großbritannien und Ägypten. Auch in Deutschland fand Sepak Takraw seine Anhänger, z.B. eine Arbeitsgemeinschaft der Sporthochschule Köln, die sogar schon an der WM in Thailand teil genommen hat.


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